Eigentlich könnte Gi-Hun Seong sich ein schönes Leben machen. In Staffel eins der Netflix-Serie „Squid Game“ ist er als Gewinner und einziger Überlebender aus den gleichnamigen Spielen hervorgegangen. Und ist deshalb ein reicher Mann. Aber Gi-Hun, gespielt von Lee Jung-jae, hat anderes im Sinn. Er will die Strukturen verändern, die Spielmacher aufspüren und das Squid Game stoppen.
Die politische Relevanz hinter dem „Squid Game“
Kurzer Recap: Staffel eins von „Squid Game“ zeigte uns, wie die ärmsten Menschen der Gesellschaft für tödliche Kinderspiele rekrutiert wurden. Den Gewinner erwartete ein hohes Preisgeld, sozialer Aufstieg, Ruhm. Hunderte nahmen teil, aber am Ende überlebte nur einer. Der Tenor der Kritiken nach Staffel eins: Diese Spiele sind eine Metapher für den Turbokapitalismus. Großer Reichtum für wenige, der auf Ausbeutung der armen Mehrheit fußt – die dafür mit dem Leben bezahlt.
Durchwachsene Reaktionen auf Staffel zwei
Die Reaktionen auf Staffel zwei fallen trotz des großen Streaming-Erfolgs dagegen eher durchwachsen aus. „Das Prinzip der Serie schockt nicht mehr“, heißt es beispielsweise bei Zeit Online, Berichte über unzufriedene Fans haben sich in den letzten Wochen gehäuft, auch weil die Serie mit einem Cliffhanger endet. Ein Grund für die gemischten Reaktionen könnte darin liegen, dass die zweite Staffel der Netflix-Serie etwas ganz anderes erzählt als die erste.
„Squid Game“ zeigt, warum gute Menschen scheitern
Die neuen „Squid Game“-Folgen konzentrieren sich darauf, wie Gi-Hun Seong, der gute Mensch, immer wieder daran scheitert, die todbringenden Strukturen zu zerschlagen. Zunächst kann er die Existenz des Squid Games nicht beweisen. Also muss er noch einmal an den Spielen teilnehmen – in der Hoffnung dort Verbündete zu finden und das Spiel dort zu stoppen. Aber auch das ist schwerer als gedacht. Selbst als die ersten Körper leblos zu Boden fallen, wollen die anderen Spieler nicht mitträumen von einer besseren Welt.
Serienmacher erschöpft von „Squid Game“-Produktion
Zu groß sind die wirtschaftlichen Zwänge. Die Motive der anderen Kandidaten: nicht gezahlte Schulden, hohe Rechnungen, Fehlinvestitionen, kranke Familienangehörige, die teure Medizin brauchen. Und dann diese verlockende, letzte kleine Chance, die das System noch bietet. Wer gewinnt, geht als reicher Mann oder reiche Frau nach Hause.
Genau wie seine Hauptfigur Gi-Hun scheint auch der koreanische Filmmacher Hwang Dong-hyuk frustriert zu sein. Vor allem davon, dass sich nichts ändert. Der Serienmacher, der selbst aus einem Armenviertel in Seoul stammt, sagte im Gespräch mit der BBC: „Ich bin so erschöpft, ich bin so müde. Ich muss zugeben: Ich habe Squid Game so satt. Ich bin mein Leben so leid, die ganze Zeit etwas bewerben zu müssen. Ich will aber nicht auf die Squid-Game-Insel!“
Wie die Spielmacher die Revolte unterbinden
Aber die ideologischen Barrieren der Spielmacher und der anderen Teilnehmer sind zumindest in dieser Staffel noch zu hoch für Gi-Hun und seinen Traum eines guten Lebens für alle. Während die strukturellen Zwänge die anderen Teilnehmer zum Weiterspielen zwingen, argumentieren die Spielmacher stets mit der Freiheit. „Wir wollen ihnen nichts Böses antun. Wir geben ihnen eine Chance“, sagen sie. Niemand werde gezwungen, hier mitzumachen – und die Spieler seien im Prinzip selbst schuld an der Misere.
Nachdem Staffel eins kritisiert hatte, wie pervers kapitalistischer Wettbewerb sein kann, ist Staffel zwei eine gelungene Reflexion darüber, warum sich nichts ändert. Zumindest für die auf der Squid-Game-Insel. Denn Netflix dürfte mit dieser Systemkritik wie schon nach Staffel eins noch einmal um viele Abos reicher geworden sein.