Die kleinen Figuren sind weltberühmt: die „Venus von Willendorf“ zum Beispiel. Oder die „Rote von Mauern“, ein Schatz der Archäologischen Staatssammlung München. Eine Plastik aus Kalkstein, rot bemalt, etwa 27.000 Jahre alt, ein Frauenkörper – zugleich androgyn. Die aus Wien stammende Ulli Lust erzählt in ihrer großen Comic-Zeitreise von diesen und vielen anderen vergleichbaren Figuren – von Kunstwerken. Unter anderem will sie wissen, warum die Menschen in der Steinzeit, also auch am Anfang der Kunstgeschichte, den Körper von Frauen so freizügig dargestellt haben.
Ihre Theorie sei, so erzählt sie, sei, „dass diese Frauenfiguren Individuen darstellen, dass sie Porträts sind von Frauen, die damals wirklich gelebt haben. Aber dass es aus magischen Gründen verboten war, Gesichter zu zeigen“. Die kopflose nackte Frau sei ein altes Klischee. „Ich glaube, es gab damals, 20.000 Jahre lang, keine Gesichtsdarstellungen. Es scheint eine magische Furcht davor gegeben zu haben.“
Beschäftigung mit den frühen Kulturen in Europa
„Die Frau als Mensch“, das auf zwei Bände angelegte Comic-Projekt von Ulli Lust, ist einerseits eine Auseinandersetzung mit der Kunst von frühen und nomadischen Gesellschaften. Ebenso geht es um die Gesellschaften selbst, um ihre Lebensformen, ihren Umgang mit der Natur, um Religionen und Rituale. Ulli Lust hat sich intensiv mit den frühen Kulturen in Europa beschäftigt. Aber nicht nur mit ihnen: sie erzählt auch von den Indigenen in Nordamerika, von der Jomon-Kultur in Japan und, auf die Gegenwart blickend, von den Khoisan im Süden Afrikas. Dort jagen Männer und Frauen beispielsweise gemeinsam.
Heute, auch das thematisiert Ulli Lust auf ihren stets auf Papier gezeichneten vielschichtigen Comic-Seiten, ist dieses Volk, das in Botswana lebt, bedroht: „Die haben in den vergangenen 20 Jahren eine massive Verdrängung erfahren, weil die unberührten Gebiete, die noch Naturschutzgebiete waren, jetzt auch Begehrlichkeiten geweckt haben. Bodenschätze, Jagd, Wild, Tourismus – alles ist wichtiger als der Schutz von diesen Buschleuten.“ Also wurden sie aus ihren Lebensräumen vertrieben. Dies sei ein gutes Beispiel dafür, wie viele Nationen mit ihren indigenen Gemeinschaften umgehen, sagt Lust.