555 Euro für eine innerhalb von Sekunden geöffnete Wohnungstür, 1.725 Euro für das Freimachen einer verstopften Toilette, 910 Euro für ein entferntes Wespennest, 2.000 Euro für sieben gewechselte Sicherungen: Insgesamt listet die Staatsanwaltschaft über 200 Fälle auf, bei denen fragwürdige Handwerker an Kunden in ganz Deutschland vermittelt worden sein sollen.
Die Ermittler sprechen von bandenmäßigem Betrug – teilweise versucht, teilweise vollendet. Dazu kommt in zahlreichen Fällen der Verdacht des Wuchers. Angeklagt sind deshalb vier Männer und eine Frau. Den Hauptangeklagten, einen 56-Jahre alten Regensburger, sehen die Ermittler als zentrale Figur, die über alle Vorgänge in den involvierten Firmen Bescheid wusste.
Call-Center statt Handwerks-Betrieb in der Nähe
Er soll mit einem Firmengeflecht um seine Regensburger Call-Center-Firma „Der Handwerker-Engel“ die Vermittlung der fragwürdigen Handwerker zu verantworten haben. Die mutmaßliche Masche: Menschen, die im Internet nach einem Handwerker suchen, sollten auf eine von Hunderten speziell gestalteten Webseiten gelockt werden. Solche Seiten gab es für Dutzende Städte in ganz Deutschland. So sollen die Call-Center-Betreiber den Betroffenen vorgegaukelt haben, dass die Seiten zu Handwerksbetrieben in ihrer direkten Nähe gehören.
Mitarbeitende sollen am Telefon keine Preise nennen
Wer dann eine der bis zu 10.000 verwendeten Telefonnummern wählte, landete aber nicht bei einem Fachbetrieb in der eigenen Stadt, sondern im Regensburger Call-Center. Laut der Staatsanwaltschaft sollten die Mitarbeiter in den Telefonaten den tatsächlichen Standort des Call-Centers verschleiert haben. Interne Unterlagen der Firma, die der BR einsehen konnte, legen zudem nahe, dass die Mitarbeiter am Telefon angehalten waren, keine Preise zu nennen. „Die Preisabwehr!“ ist ein entsprechender Schulungs-Leitfaden überschrieben. „Lass dich nicht einfach von dem Kunden ausfragen und bleib der Gesprächsführer“, lautet einer der sogenannten „Tipps gegen die Preisfrage“ in dem Leitfaden.
Wucherpreise für unsachgemäße Handwerksarbeiten
Das Call-Center soll die Aufträge in der Regel dann an Vertragspartner vermittelt haben. Diese teils unqualifizierten Monteure sollen dann von den Kunden teilweise deutlich überhöhte Preise verlangt haben – in manchen Fällen das Fünf- bis Siebenfache des eigentlich ortsüblichen Preises. In einem Fall soll ein Polsterreiniger für eine normalerweise 240 Euro teure Reinigung einer Couch 2.847 Euro verlangt haben, wobei er das Sofa auch noch beschädigt haben soll. In diesem Fall zahlte der Kunde nicht. Viele andere zahlten dagegen laut den Ermittlern teils mehrere hundert Euro für falsch oder unsachgemäß durchgeführte Handwerkerleistungen – meist direkt vor Ort in bar oder per Karte.
Verbraucherschützer bestätigten dem BR, dass die Monteure in mehreren Fällen auch Druck ausgeübt haben sollen, damit die Kunden sofort vor Ort bezahlen und nicht auf eine Rechnung bestehen. Teilweise soll es auch zu Bedrohungen gekommen sein.
Angeklagte sollen von hohen Rechnungen profitiert haben
Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten vor, dass sie von den überhöhten Preisen der Handwerker direkt profitiert haben. Sie sollen von den fliegenden Monteuren für die Vermittlung der Aufträge eine Provision von rund 50 Prozent des Umsatzes bekommen haben. Hohe Rechnungen an die Kunden seien somit im Interesse der Beschuldigten gewesen, so der Vorwurf.
Zwar habe es in den Verträgen mit den Vertragspartnern Klauseln gegeben, dass diese korrekt arbeiten müssten und keine Wucherpreise verlangen dürften, allerdings soll den Angeklagten klar gewesen sein, dass sich die Monteure nicht daran halten, so die Staatsanwaltschaft. Finanzielle Schäden bei den Kunden seien von ihnen billigend in Kauf genommen worden. Profit sei bei der Vermittlung der Partnerhandwerkern wichtiger gewesen als die fachliche Eignung oder eine kurze Anfahrt zu den Kunden. Dazu soll das Call-Center bei abgesagten Aufträgen in dutzenden Fällen auch unrechtmäßig Storno-Gebühren verlangt haben.
Mammutprozess erwartet
Der Prozess könnte zu einem Mammutprozess werden. Insgesamt hat das Landgericht in Regensburg über 40 Verhandlungstage bis in den Oktober hinein angesetzt. Das Gericht muss wohl jeden der über 200 angeklagten Betrugsfälle einzeln mit entsprechenden Zeugenaussagen behandeln.