Halle 2 auf dem Messegelände in Hannover: Am Freitagvormittag diskutieren dort Roderich Kiesewetter (CDU), Bundestagsabgeordneter und Oberst a.D. der Bundeswehr, Militärhistoriker Sönke Neitzel, Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow (Die Linke) und der Militärbischof Franz-Josef Overbeck auf dem Podium des Kirchentags über Waffen. Der Titel: „Deutsche Zerrissenheit.“
So eine Zerrissenheit spüre er, sagt Ramelow. „Persönlich würde mir wünschen aus Deutschland würden keine Waffen geliefert“, sagt der Linken-Politiker. Angesprochen auf die Ukraine fügt er hinzu: „Aber ein Staat muss ich verteidigen können.“ Applaus in der Halle.
Christliche Friedensaktivisten treffen sich auf Alternativem Kirchentag
Während Politiker, Vertreter der Militärseelsorge und Militärhistoriker auf dem offiziellen Podium des Kirchentags auf dem Messegelände sprechen, treffen sich die spezifisch pazifistisch Friedensbewegten woanders. In zwei Veranstaltungsräumen der Gewerkschaft Verdi in der Innenstadt von Hannover finden drei Tage lang Bibelarbeiten, Gebete, Vorträge, Diskussionen und Workshops statt – alle zum Thema Frieden.
Die frühere EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann ist die Schirmherrin dieses quasi Parallel-Kirchentags. „In einer Zeit der stetigen Aufrüstungen haben wir als Christinnen und Christen noch was anderes zu sagen. Weil wir mit unserem christlichen Glauben von Feindesliebe sprechen, von selig sind die, die Frieden stiften“, sagt Käßmann gegenüber dem BR. „Da wünschen wir uns eine hörbarere Stimme.“
Friedensruf von Alternativem Kirchentag
Hörbar wollen die 25 Friedensorganisationen sein, die sich an diesem Treffen beteiligen – darunter die internationale katholische Friedensorganisation Pax Christi und die evangelische Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden.
Gemeinsam haben sie einen „Friedensruf“ verabschiedet: Sieben biblisch-theologisch begründete Argumente gegen den Krieg. „Für mich ist der wichtigste Ruf, dass wir uns der Aufrüstung entgegen stellen. Weil durch Aufrüstung kein Frieden entsteht“, sagt Käßmann.
Warum nicht auf offiziellem Kirchentag?
Merkwürdig finden manche Besucher, dass dieser Friedensruf nicht vom Kirchentag selbst ausgeht. „Das ist das 14. Mal, dass ich auf dem Kirchentag bin. Und ich find es eine Schande, dass dieses Programm nicht Teil des offiziellen Kirchentagsprogramms sein konnte, sollte oder durfte“, sagt ein Besucher.
Mitorganisatorin Pfarrerin Susanne Büttner sagt, man sei nicht vom Kirchentag ausgeschlossen worden. Man habe etwas Eigenständiges machen wollen – und die Kirchentagsleitung habe befürchtet, der pazifistische Friedensruf könne als Verlautbarung des ganzen Kirchentags verstanden werden. Doch pazifistische Stimmen sieht sie auf dem Kirchentag unterrepräsentiert.
Käßmann: „Pazifisten sind in Minderheitenposition“
Das sei mal anders gewesen, erinnert sich Käßmann. Sie selbst hat schon beim Kirchentag in Hannover 1983 teilgenommen. Damals: lila Tücher, Zeichen des Protests gegen den Nato-Doppelbeschluss und die Stationierung von US-Raketen in Deutschland. Die Friedensbewegung fand auf dem Hannoveraner Kirchentag eine Heimat.
Beim Kirchentag 2025 scheint es ihr, als hätten sich Friedensbewegung und Kirchentag voneinander entfremdet. „Es ist deutlich, dass Pazifistinnen und Pazifisten in der Minderheitenposition sind“, so Käßmann. „Die Friedensbewegung ist eine Aktion Silberlocke. Für die Jüngeren kann man Krieg nur mit Rüstung und Waffen bekämpfen. Da ist die Erfahrung unsere Generation anders.“
Abrüstung oder Aufrüstung: Podium diskutiert
Teil einer selbsternannten Aktion-Silberlocke war Bodo Ramelow bei einer Wahlkampagne seiner Partei. Er spricht auf dem offiziellen Kirchentags-Podium über Abrüstung: „Wir reden nur von Aufrüstung. Das Wort Abrüstung ist aus der öffentlichen Debatte verschwunden, das macht mir Angst.“
Sein Bundestagskollege Roderich Kiesewetter (CDU) war 2009 abrüstungspolitischer Sprecher „und stolz darauf“. Sein Damaskus-Moment sei der Überfall Russlands auf die Ukraine im Jahr 2014 gewesen. Denn man habe statt auf Aufrüstung der Ukraine und Verhandlungen fälschlicherweise auf Beschwichtigung Russlands gesetzt, etwa mit der Ostseepipeline Nord Stream 2. „Waffen sind notwendig, aber nicht hinreichend“, sagt Kiesewetter. „Ein nachhaltiger Friede, ist einer der bewaffnet ist. Er muss stark genug abgesichert werden.“
Nein zum Nein zu Atomwaffen in Deutschland
Nach der Podiumsdiskussion konnte das Publikum über einen Resolutionsantrag abstimmen. Die Forderung: Die Bundesregierung soll dem UN-Vertrag für ein Verbot von Atomwaffen beitreten und die Stationierung weiterer US-Atomwaffen verbieten. Vor der Abstimmung meldet sich ein junger Mann zu Wort: „Ich spreche mich dafür aus, dass wir diese Waffen haben. Waffen können Kriege verhindern und uns schützen.“ Das sieht auch die Mehrheit im Saal so und stimmt gegen die Resolution und damit gegen ein Nein zu Atomwaffen.