Spätestens seit 2011 die Piratenpartei ins Berliner Abgeordnetenhaus einzog, ist Digitalpolitik in Deutschland kein Fremdwort mehr. Ab 2013 gab es ein Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, ab 2021 ein Bundesministerium für Digitales und Verkehr.
Nun gibt seit dem Amtsantritt der Regierung Merz das Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung (und ein davon getrenntes Verkehrsministerium). Geführt wird das neue Digitalministerium vom parteilosen Ex-Manager Karsten Wildberger.
Organisationserlass zeigt Macht
Noch am Abend seiner Ernennung wurde klar, wie viel Kompetenzen dem neuen Minister innerhalb der Regierung dabei zukommen. Das Kabinett beschloss bei seiner ersten Zusammenkunft den sogenannten Organisationserlass, der klar macht, welches Ministerium sich künftig um welche Themen kümmert.
Während bei den anderen Ministerien zwei oder drei Absätze in dem neun Seiten langen Dokument ausreichen, um darzustellen, welche Aufgaben sie dazubekommen, erstreckt sich die Liste beim Digitalministerium über mehr als zwei Seiten.
Man merkt schnell, wie viel mehr digitale Zuständigkeiten das Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung (BMDS) hat als das alte Ministerium für Digitales und Verkehr: Von dort kommen nämlich nur die Zuständigkeiten für Digital- und Datenpolitik sowie für digitale Infrastrukturen. Doch das neue Digitalministerium ist für deutlich mehr verantwortlich.
Kompetenzen zusammengezogen
Ihm wird im Organisationserlass (externer Link zum Dokument) etwa ein Zustimmungsvorbehalt für viele IT-Ausgaben der Bundesverwaltung zugestanden. Vom Kanzleramt kommt zudem unter anderem die Kompetenz für „Grundsatzfragen der Digitalpolitik“ zum neuen Minister, vom ehemaligen Wirtschafts- und Energieministerium unter anderem die Verantwortung für „digitale Wirtschaft“ und diverse Datenthemen, vom Finanzministerium die Zuständigkeit für weite Teile des Informationstechnikzentrums (ITZBund), vom Justizministerium etwa die Federführung bei der Umsetzung der europäischen KI-Regulierung.
Besonders lang fällt die Liste der Kompetenzen aus, die das Digitalministerium vom Bundesinnenministerium übernimmt. Da wären etwa zahlreiche Zuständigkeiten für Sicherheit, Infrastruktur und Beschaffung bei Netzen und IT des Bundes, aber auch die Verantwortung für die digitale Verwaltung beziehungsweise digitale Gesellschaft.
Kritik aufgegriffen?
2021 hatte der Augsburger CSU-Digitalpolitiker Hansjörg Durz noch erklärt, dass der Ampel-Versuch, ein Digitalministerium aufzubauen, „auf halber Strecke“ liegen bleibe, da die Zuständigkeiten für Staatsmodernisierung und Verwaltungsdigitalisierung fehlten. Auch der damalige Bitkom-Präsident Achim Berg bezeichnete die Bündelung der Digitalkompetenzen deswegen seinerzeit als „nicht abgeschlossen“.
Das Ampel-Ministerium für Digitales und Verkehr hatte 2021 zwar mehr digitale Zuständigkeiten erhalten als das vorherige Ministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur sie hatte, vieles verblieb jedoch anderswo – wie nun eben die lange Liste der Kompetenz-Zuweisungen an das neue BMDS im Organisationserlass zeigt.
Lob und Zweifel
Gerade wegen dieser Bündelung fällt die Reaktion des Wirtschaftsverband Bitkom knapp dreieinhalb Jahre später positiv aus. „Der Aufbau und die Kompetenzen des neuen Digitalministeriums senden ein klares Signal: Die Bundesregierung benennt die Digitalisierung als zentrale Aufgabe künftigen Regierungshandelns“, so Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst. Man begrüße ausdrücklich, dass viele wichtige Themen in das neue Ressort integriert würden.
Auch von Daniel Leisegang von Netzpolitik.org, das digitale Freiheitsrechte im Fokus hat, gibt es Lob: „Der Zuschnitt des Hauses macht deutlich, dass das Ministerium und damit die Digitalisierung in der neuen Regierung eine gewichtige Rolle spielen soll.“ Zugleich werde laut Leisegang aber auch deutlich, dass das BMDS seinen Fokus verstärkt auf Wirtschaft und Innovationen legen werde und weniger auf Gemeinwohl und Zivilgesellschaft. Er hoffe, dass „in Deutschland eine starke digitale Zivilgesellschaft“ vom neuen Ministerium dennoch einbezogen werden.
Große Ziele
Minister Wildberger blickt derweil selbstbewusst nach vorne: „Das neue Ministerium wird Motor sein für konkrete, sichtbare Fortschritte bei der Digitalisierung und eine moderne, handlungsfähige Verwaltung“, lässt er sich auf der Ministeriumswebsite zitieren. Klares Ziel sei, Deutschland zur treibenden Kraft bei der Digitalisierung in Europa zu machen.
Große Ziele hatten in Sachen Digitalisierung vor ihm freilich schon andere. 2013 kündigte der frisch ernannte Digitale-Infrastruktur-Minister etwa an, Deutschland in der Informationstechnologie an die Weltspitze bringen zu wollen. Ob das geklappt hat, kann der neue Digitalminister ganz einfach den Mann fragen, der das formuliert hat. Er heißt Alexander Dobrindt und sitzt seit Dienstag als Innenminister mit ihm am Kabinettstisch der Regierung Merz.