Zweite Masernimpfung oft verspätet
In verschiedenen Landkreisen Bayerns und auch anderer Bundesländer werde sowohl die erste als auch die zweite Masernimpfung in ein deutlich höheres Lebensalter verschoben, sagt der Immunologe Bogdan. „Das ist sehr bedauerlich und eindeutig eine medizinische beziehungsweise elterliche Fehlentscheidung.“ Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die erste MMR-Impfung im Alter von elf Monaten. Die zweite Impfung soll im Alter von 15 Monaten verabreicht werden, frühestens vier Wochen nach der ersten Impfung. „Die Wahrscheinlichkeit einer schweren Maserninfektion mit Komplikationen oder gar einem tödlichen Verlauf steigt, je jünger die Kinder bei der Infektion sind“, erklärt Bogdan.
Der Immunologe spricht von Missverständnissen, die bei manchen Eltern in Bezug auf die zweite Impfung vorherrschen: „Viele denken, dass das so eine Art Boosterimpfung ist. Das ist aber die zweite Masernimpfung nicht.“ Es gebe ungefähr fünf bis sieben Prozent „primäre Impfversager“, also Kinder, bei denen die erste Impfung noch keinen Schutz bietet. „Deswegen gibt es auch schon seit vielen Jahren die Empfehlung, eine zweite Impfung zu geben (externer Link).“
Auch Hedwig Roggendorf, Leiterin der Impfsprechstunde am Klinikum rechts der Isar, beobachtet, dass viele Eltern aus falscher Vorsicht auf zweite Impfungen verzichten, wenn ihr Kind zu dem Zeitpunkt etwa durch eine bestehende Erkältung leichte Krankheitssymptome zeigt. „Das ist in der Regel aber kein Grund, nicht zu impfen. Aber viele Eltern möchten das dann partout nicht. Und dann wird es eben verschoben und dann noch mal verschoben und dann noch einmal verschoben. Und irgendwann gerät es dann halt ganz aus dem Fokus.“
Außerdem hatte die Corona-Pandemie Folgen für die Impfdiskussion, wie Kinderarzt Burkhard Rodeck beobachtet: „Die Gruppe derjenigen, die eher unsicher sind und nach Aufklärung fragen, ist sicher größer geworden. Ich glaube, die Gruppe der dogmatischen Impfgegner ist mehr oder weniger gleich geblieben.“
Niedrige lokale Impfquote begünstigte Ausbruch in Coburg 2001
Was eine lokal niedrige Impfquote für Folgen – ähnlich wie in Texas – haben kann, erklärt Immunologe Bogdan am Beispiel Coburg aus dem Jahr 2001. Laut „Deutschem Ärzteblatt“ (externer Link) gab es während eines achtmonatigen Ausbruchs dort knapp 1.200 Fälle. Ausgangspunkt war demnach eine anthroposophische Schule. Zu Komplikationen kam es bei 113 Erkrankten, 21 davon wurden im Krankenhaus behandelt.
Ausbreiten konnte sich die Krankheit wegen einer geringen Durchimpfungsrate von 77 Prozent. In den umliegenden Landkreisen betrug die Impfquote mindestens 90 Prozent – der Ausbruch blieb lokal begrenzt.
Grafik: Masernausbruch in Coburg 2001/2002