Essstörungen sind eine Volkskrankheit. So kann oder muss man es wohl formulieren, wenn die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung angibt, dass rund ein Viertel aller jugendlichen Mädchen Symptome einer Essstörung zeigt.
Etwa ein Prozent entwickelt eine ernsthafte Essstörung. Seit der Corona-Pandemie steigen die Fallzahlen unter Teenager-Mädchen spürbar. Experten sehen gerade die damaligen Schulschließungen als Treiber. Struktur und Alltag wurden weniger, psychische Belastung und soziale Isolation mehr – genauso wie die Zeit, die junge Menschen in sozialen Medien verbrachten.
TikTok lenkt ein
Social Media lädt zum Vergleichen ein. Unmengen von durch Operationen oder Bildbearbeitung optimierte Körper blitzen einem entgegen und vermitteln Körperbilder. Eine besonders extreme Form des sozialmedialen Körpervergleichs zeigte sich bis vor kurzem bei TikTok unter dem Hashtag #Skinnytok. Wie der „Spiegel“ berichtet (externer Link), waren dort vor allem sehr dünne, junge Frauen zu sehen, die Abnehmtipps geben, abgemagerte Körper wurden zum Schönheitsideal erhoben, Magersucht und Bulimie verharmlost.
Wohl auch nach Kritik aus der Politik, hat TikTok den Hashtag nun gesperrt. Wer in der Video-App nach #skinnytok sucht, sieht dort statt Videos, Fotos oder Accounts einen lächelnden Comic-Magen, der ein Herz in der Hand hält und die Message „Du bist nicht allein“. Dazu wird geraten, sich bei entsprechenden Problemen an Vertrauenspersonen zu wenden.
Hinter einem Link gibt es weitere Informationen zum Thema Essstörungen. Dort wird unter anderem erklärt, wie man erkennt, ob man Hilfe braucht, wo man Hilfe finden und wie man betroffene Freunde unterstützen kann.
Hunger-Communities nicht neu
Dass essgestörte junge Menschen im Internet Hunger-Communities aufbauen, ist dabei keineswegs ein Phänomen unserer TikTok-Gegenwart. So warnte etwa der damalige Vorsitzende des Philologenverbands, einer Vereinigung von Lehrern, schon 2009 vor rund 1.000 deutschen Internetseiten und -foren, auf denen sich meist weibliche User gegenseitig zum Abnehmen und Verschleiern ihrer Erkrankung beraten und anstacheln. Pro-Ana-Seiten nannte man diese damals. Diese Wortkombination (kurz für „Pro Anorexie“, also „Pro Magersucht“) bezeichnete seinerzeit eine ganze Hunger-Bewegung, 2006 war „Pro Ana“ als Unwort des Jahres nominiert.
Als später soziale Medien groß wurden, schaffte die Bewegung den Sprung dorthin. So berichtete die Deutsche Presse-Agentur (dpa) etwa 2016 über junge Frauen, die sich auf Instagram unter einschlägigen Hashtags über das Hungern austauschten. Instagram gab damals an, dass man Hashtags, unter denen Essstörungen glorifiziert würden, etwa #proanorexia oder #probulimia lösche, bei anderen wie etwa #ana dagegen nur einen Warnhinweis ausspiele.
Komplexes Problem, schwere Lösung
Die Begründung des Netzwerks: „Für viele Instagrammer, die unter einer Essstörung leiden, ist es eine große Hilfe, sich auf Instagram mit anderen Betroffenen während ihres Heilungsprozesses auszutauschen.“ Ein Argument, das man sicherlich auch gegen die Sperrung von #Skinnytok nun einwenden könnte: Nicht immer muss der Austausch über eine Erkrankung in sozialen Medien destruktiv sein.
Es zeigt sich: Der Kampf gegen Essstörungscontent in sozialen Medien bleibt komplex. Auch weil, – das merkt schon der dpa-Bericht von 2016 an – die Sperrung eines einzelnen Hashtags oft nur zur Verlagerung der problematischen Inhalte führt. „Aus #bulimia wird etwa #bulima, aus #thin wird #thynn“, schreibt die dpa. Und auch aktuell reicht es, einen Buchstaben im Hashtag #skinnytok zu verändern, um bei TikTok wieder Content zum Skinny-Bleiben und -Werden sehen zu können.
Über dieses Thema berichtet BR24 TikTok am 05.06.2025 um 16 Uhr.