Ortstermin gut 2.000 Kilometer Luftlinie nördlich von Bayern: auf der finnischen Insel Olkiluoto. Hier steht das gleichnamige Atomkraftwerk und unterirdisch gibt es dort etwas weltweit Einzigartiges: Hier wird ein Endlager gebaut. Die Anlage namens Onkalo (deutsch: kleine Höhle) ist so gut wie fertig. Nächstes Jahr soll sie in Betrieb gehen.
Suche nach „geeigneten Bedingungen“
Das Endlager – es sei absolut sicher, gibt Chef-Geologe Tuomas Pere zu verstehen. Auf die Nachfrage, ob das hier in Finnland die besten Bedingungen für ein Endlager sind, antwortet er nur, es seien „die geeigneten Bedingungen für das Konzept“.
Hier wird der Unterschied zu Deutschland deutlich: Denn hierzulande sucht man nicht nach einem geeigneten, sondern nach dem Standort mit der „bestmöglichen“ Sicherheit. So haben es Bundestag und Bundesrat im Standortauswahlgesetz festgelegt.
Es wird ausgesiebt
Nach und nach werden Teilgebiete ausgeschlossen, es wird ausgesiebt – nach wissenschaftlichen Kriterien. Etwa die Hälfte des Bundesgebiets ist noch im Rennen. Bis 2027 will die Bundesgesellschaft für Endlagerung die erste Phase der Suche beenden. Dann sollen vier bis sechs Teilgebiete für die intensive Erkundung feststehen. Am Ende soll dann ein Standort übrigbleiben.
Ursprünglich hieß es einmal, die Suche soll 2031 beendet sein. Heute, nach fünf Jahren Erkundung, wird deutlich: Dieser Termin ist nicht zu halten. Auf eine genaue Jahreszahl will sich heute niemand mehr festlegen. Stattdessen sagt Iris Graffunder, die Chefin der Bundesgesellschaft für Endlagerung, sie sei optimistisch, „dass es uns gelingt, einen sehr guten Standort, den mit der bestmöglichen Sicherheit, bis Mitte des Jahrhunderts finden zu können.“
Es dauert noch Jahrzehnte
Das würde bedeuten: 25 Jahre nach Inbetriebnahme des finnischen Endlagers hätte Deutschland immerhin einen Standort gefunden. Damit wäre es aber nicht getan. Der Standort müsste genehmigt werden, anschließend folgt der Bau und am Ende die Einlagerung. Jeder einzelne dieser Schritte dauert laut Experten weitere Jahrzehnte.
Ein Grund für die lange Suche – das ist in den Augen von Beobachtern die Öffentlichkeitsbeteiligung. Im Mittelpunkt: die extra dafür gegründeten Begleitgremien. Diese setzen sich aus Wissenschaftlern und Bürgern zusammen. Sie sollen die Bürgerbeteiligung sicherstellen und müssen dafür stetig informiert werden. Das heißt: Während der Suche drehen Entscheidungen eine Extra-Schleife.
Der finnische Weg
Finnland ist hier einen anderen Weg gegangen. Auch dort wurde eine Vorauswahl geeigneter Standorte getroffen – dann wurde mit Gemeindevertretern gesprochen. In der finalen Auswahl hat man sich auf geeignete Gemeinden mit einem Atomkraftwerk konzentriert. Dort besteht bereits eine Beziehung zur Atomenergie – außerdem winken damit weitere Steuereinnahmen. Viele Einwohner waren schlussendlich sogar stolz darauf, das Endlager zu bekommen.
Deutsches Trauma: Gorleben
Hintergrund der intensiven Bürgerbeteiligung in Deutschland wiederum sind Erinnerungen an die Proteste in Gorleben. Der Ort in Niedersachsen galt lange als politisch festgelegter Endlagerstandort. Die Bilder von Großdemos und gewaltsamen Ausschreitungen sind bis heute präsent, vor allem bei den Verantwortlichen.
Deswegen will man die Bevölkerung auf jedem Schritt mitnehmen, gibt sich transparent. Das Jahr 2046 gilt als frühestmöglicher Zeitpunkt, bis zu dem ein Standort für das Endlager feststehen könnte – zumindest unter Optimisten.
Experte: Kein Endlager mehr in diesem Jahrhundert
Dieser Optimismus ruft Kritiker hervor, allen voran: Physiker Bruno Thomauske. Thomauske hat für das Bundesamt für Strahlenschutz gearbeitet, war Kernkraft-Chef bei Vattenfall und später Professor an der RWTH Aachen. Er ist sich sicher, „dass vor 2079 kein Standort gefunden ist“. Das größte Problem aus seiner Sicht: Man halte sich zu lange mit völlig ungeeigneten Regionen auf, weil nach dem Ausschlussprinzip zuerst die gesamte Republik durchkämmt wird.
Thomauske nennt das „unverantwortlich“. Denn die verzögerte Endlagersuche bedeutet auch eine immer längere Zwischenlagerung. Oberirdisch, in Lagerhallen, wie in Niederaichbach in der Nähe von Landshut. Wenn es nach ihm geht, ist Finnland also ein Vorbild.