Unser Körper ist voll mit Chemikalien, die dort eigentlich nicht hingehören. Etwa 200 sollen es laut Schätzungen sein. Wie viele gefährliche Substanzen genau es sind, die von Alltagsgegenständen oder aus der Umwelt in unserem Körper landen, ist aber noch längst nicht bekannt.
Deutsche Umweltstudie – die aktuellen Messungen
Das Bewusstsein für Chemikalien, die der Gesundheit schaden können – zum Beispiel Weichmacher in Plastik, Lösungsmittel oder andere Schadstoffe – ist in den vergangenen Jahrzehnten größer geworden. Einen wesentlichen Anteil daran dürften wohl die Messungen haben, die Forschende seit nunmehr 40 Jahren durchführen und in regelmäßigen Abständen in der „Deutschen Umweltstudie zur Gesundheit (GerES)“ veröffentlichen.
„Wir haben bestimmt so 100.000 Chemikalien im Gebrauch. Und ein erheblicher Teil davon landet auch bei uns im menschlichen Körper“, sagt Marike Kolossa vom Umweltbundesamt (UBA). Sie leitet die aktuelle Deutsche Umweltstudie, die demnächst veröffentlicht werden soll.
1.500 Menschen nehmen an ihr teil. Auf 200 Substanzen werden sie alle getestet mittels Blut-, Urin- und Haarproben. Zusätzlich sammeln die Forscher Luftproben und Staubsaugerbeutel aus den Wohnungen der Teilnehmer ein. Danach interviewen sie die Probanden zu ihrem Lebensstil. Eine erhebliche Datenmenge kommt so zusammen.
1985 erste Messungen für Deutsche Umweltstudie
Bei den Messungen für die erste Deutsche Umweltstudie, die damals noch „Umwelt-Survey“ hieß, war das noch anders. Ein Umweltministerium war in weiter Ferne. Die Menschen machten sich Sorgen über sauren Regen, das Waldsterben, das Gift Dioxin in der Luft und die zunehmenden Autoabgase. Die Umweltverschmutzung, wie diese Belastungen damals genannt wurden, schien für viele damals eher gefühlt als real. Doch waren die Belastungen damals wirklich nur gefühlt oder doch real? Dies wollten die Forscher nachprüfen.
Sie rekrutierten für ihre Forschung Menschen aus allen Regionen der Bundesrepublik – von West-Berlin bis Hindelang. Gerade einmal etwa ein Dutzend Schwermetalle untersuchten die Wissenschaftler damals, darunter Kadmium, Quecksilber und Blei.
Das Ergebnis war erschreckend: Die Probanden hatten eine solche Menge Blei im Blut, bei der Tiere schon die ersten Vergiftungserscheinungen zeigten, wie die Forscher herausfanden. Schnell war klar: Das Blei landete im Blut der Menschen, weil Blei damals noch dem Benzin zugesetzt wurde.
Blei, Amalgam, Weichmacher – Verbote aufgrund der Umweltstudie
Die Politik reagierte auf die Messergebnisse. Im Jahr 1988 kam ein Verbot für Blei im Normalbenzin, im Jahr 2000 eines für Superbenzin. Es folgten viele weitere Verbote aufgrund der für die Deutsche Umweltstudie durchgeführten Messungen. So sind etwa Trinkwasserrohre aus Blei mittlerweile verboten, Holzschutzmittel sind heute frei von krebserregenden Lösungsmitteln und Kinder dürfen von Zahnärzten keine Amalgamfüllungen mehr erhalten, weil diese Quecksilber freisetzen.
Auch, dass bestimmte Weichmacher, sogenannte Di(2-ethylhexyl)-phthalate (DEHP) in Kinderspielzeug und Babyartikeln seit fast zwei Jahrzehnten verboten sind, geht auf Ergebnisse in der Deutschen Umweltstudie zurück.
Leiterin der Deutschen Umweltstudie: „Verbote dauern zu lang“
Verbote durchzusetzen, sei ein harter Kampf, beklagen Experten wie Kolossa, die die aktuelle Deutsche Umweltstudie leitet. Im Prinzip hätte Europa die beste Chemikalien-Gesetzgebung der Welt, aber Verbote dauerten viel zu lange, sagt sie.
Nach dem Willen der EU soll die Umwelt in den Mitgliedsstaaten eigentlich bis 2050 schadstofffrei sein. Von diesem im Rahmen des „European Green Deal“ ausgerufenen Ziels ist man derzeit jedoch weiter weg als noch vor ein paar Jahren. Durch die vielen Krisen in der Welt gibt es derzeit andere politische Prioritäten.
In den vergangenen Jahrzehnten ist die Belastung mit vielen Schadstoffen zwar deutlich zurückgegangen – zum Beispiel dank Filteranlagen in Fabriken und Autos. Aber immer noch belasten viele Chemikalien Mensch und Natur. Forscher fordern vor allem ein Verbot für die sogenannten „Ewigkeitschemikalien“, die PFAS, die in Kleidungsstücken und Küchenutensilien eingesetzt werden. Die Deutsche Umweltstudie liefert brauchbare Daten dazu.