In der Debatte über eine mögliche Obergrenze für Migranten in Schulklassen kommt aus Bayern ein klares Nein. „Eine Migrationsquote an unseren Schulen ist schon organisatorisch gar nicht umsetzbar, aber darüber hinaus auch das falsche Signal“, sagte die bayerische Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) dem BR.
Der Freistaat setze auf Integration „und nicht auf Separation“. Alle Kinder und Jugendlichen hätten ein Recht auf Bildung – unabhängig von ihrer Herkunft, betonte Stolz. Im Freistaat liege der Schwerpunkt auf der Sprachförderung.
Integrationsbeauftragter: Definition „willkürlich“
Ähnlich äußerte sich auch Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU). Das entscheidende Kriterium für den Schulbesuch sei nicht die Herkunft, sondern Sprachkenntnisse, sagte er dem „Münchner Merkur“. „Wer unsere Sprache spricht, kann am Unterricht teilnehmen und sich integrieren.“ Obergrenzen für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund sehe die Staatsregierung skeptisch.
Der Integrationsbeauftragte der Staatsregierung, Karl Straub (CSU), teilte mit, die Definition, wann jemand noch eine Migrationsgeschichte habe und wann nicht, besitze keine Allgemeingültigkeit und sei daher sehr willkürlich. Obergrenzen für Migranten könnten zudem „eine ausgrenzende Wirkung haben“. Bayern setze auf Sprache.
Prien: „Ein denkbares Modell“
Welt-Chefredakteur Jan Philipp Burgard hatte im TV-Interview mit Bundesbildungsminister Karin Prien (CDU) darauf verwiesen, dass es in Dänemark in bestimmten Stadtteilen eine Obergrenze für Migranten gebe. Auf die Frage, ob dies in Deutschland ein Modell für Schulen wäre, antwortete die Ministerin: „Das ist ein denkbares Modell, es gibt auch viele andere Modelle, von denen wir auch wissen, dass sie gelingen.“ Eine maximale Migrantenquote könnte laut Prien beispielsweise bei 30 oder 40 Prozent liegen. Hier gelte es, sich Erfahrungen aus anderen Staaten anzuschauen.
Sinn würde ein solches Modell laut Prien aber nur machen, wenn die Sprachförderung im Vorschulalter funktioniere. Ohne Deutschkenntnisse bei der Einschulung hätten Kinder kaum eine Chance auf eine erfolgreiche Bildungskarriere. Ein Ziel für diese Legislaturperiode sei, für frühzeitigte Sprachtests zu sorgen – und bei Bedarf für verpflichtende Fördermaßnahmen.
Für Schulpolitik ist in Deutschland aber nicht in erster Linie der Bund zuständig, sie ist weitgehend Sache der Bundesländer. Die Bundesministerin warnte die Länder vor Schnellschüssen: Nichts sei für Schulen schlimmer, als ständige Unruhe durch Reformen wechselnder Landesregierungen.
Sprachtest-Pflicht in Bayern
In Bayern beobachten und dokumentieren Erzieherinnen und Erzieher schon seit vielen Jahren die Sprachentwicklung von Kindergartenkindern, um möglichen Förderbedarf festzustellen. Für alle Viereinhalb- bis Fünfjährigen, denen kein staatlich geförderter Kindergarten ausreichende Deutschkenntnisse bestätigt, ist seit diesem Jahr ein Sprachtest an einer Grundschule Pflicht. Bei zu großen Defiziten müssen Kinder vor der Einschulung einen Kindergarten mit Vorkurs Deutsch besuchen. Sonst droht ein Bußgeld.
„Mit den neuen Sprachstandstests vor der Einschulung erkennen wir frühzeitig, wo Unterstützung nötig ist – und bieten sie gezielt an“, sagte dazu Ministerin Stolz. Staatskanzleichef Herrmann betonte, besser als Obergrenzen an Schulen seien klare Regeln vor Schulbeginn: „ohne Sprache kein Schulzugang.“
In diesem Frühjahr schafften bayernweit 23.800 Kinder den Pflicht-Test nicht. Dabei bestanden den Tests allerdings auch Kinder, denen der Kindergarten einen Vorkurs Deutsch empfohlen hätte. Die Maßstäbe bei der Beobachtung im Kindergarten sind strenger als beim verpflichtenden Test an Grundschulen.
Bayerische Opposition uneins
Positiv wertet die AfD-Fraktion Priens Äußerungen. „Der Vorschlag der Bundesbildungsministerin entspricht genau der Forderung, die die AfD stets gestellt hat“, sagte der AfD-Abgeordnete Oskar Atzinger. Die AfD wolle effektiven Sprachunterricht für alle Kinder mit unzureichenden Deutschkenntnissen, die Einführung von Migrantenquoten sowie die Rückführung von Kindern und Eltern ohne Bleiberecht.
SPD-Bildungsexpertin Simone Strohmayr verweist dagegen darauf, dass es beim Anteil von Migranten an der Bevölkerung ein Stadt-Land-Gefälle gebe. Ein Ausgleich lasse sich praktisch nicht bewerkstelligen. Kinder müssten dort gefördert werden, „wo sie sind“. Besonders belastete Schulen – also Grund-, Förder- und Mittelschulen – bräuchten Zweitlehrkräfte in den Klassen. Das Philosophieren über eine Migrationsobergrenze an bayerischen Schulen sei eine „Gedankenfehlleitung“.