Direkt daneben drei Schwarzweiß-Aufnahmen von Friedrich Seidenstücker aus dem Berlin der 30er Jahre: ein Kofferträger, ein Müllarbeiter, ein Altpapierträger. Drei Männer in Bewegung, mit ihren voluminösen Tonnen, Paketen und Kisten auf dem Rücken sehen sie aus wie wandelnde Skulpturen.
Erstmals werden in dieser Ausstellung die Sammlung Ann und Jürgen Wilde mit dem Schwerpunkt Fotografie der Neuen Sachlichkeit aus den 20er und 30er Jahren und die Sammlung Zeitgenössische Fotografie und zeitbasierte Medien mit künstlerischer Fotografie ab den 70er Jahren zusammen ausgestellt.
250 Werke von mehr als 60 KünstlerInnen
Es ist faszinierend, wie gut das funktioniert, wie eng sich die Themen und Motive trotz der zeitlichen Distanz immer wieder verschränken. Egal ob Landschaft, Porträt oder Objektfotografie: Am Ende gibt es immer einen gemeinsamen Nenner: Künstlerische Fotografie dreht sich immer auch um das Sehen an sich. Nicht um den Schnappschuss, sondern um komplexe Bildkonzepte, um Fokussierung, Ausschnitt, Inszenierung, sagt Simone Förster, Sammlungsleiterin der Stiftung Ann und Jürgen Wilde: „Die Fotografie ist die Möglichkeit, etwas zu zeigen, was mit dem reinen Blicken durch das Auge das bloße Auge eigentlich nicht so zu sehen oder wahrzunehmen ist. Und erst die Fotografie fokussiert auf etwas, wählt einen Ausschnitt, kommt so nahe und oder zeigt Konstellationen, wie sie momenthaft sind, wie sie einem begegnen, aber oft nicht so bewusst wahrnehmbar sind.“
Fotos über das Sehen
Thomas Struths große Farbfotografie „Art Institute of Chicago“ zeigt Menschen, die Gemälde betrachten. Eine Frau im rotkarierten Kleid mit Kinderwagen, eine andere mit den Händen in typischer Museumshaltung hinter dem Rücken verschränkt. Beide blicken auf eine Straßenszene: Paris bei Regen. Daneben eine Schwarzweiß-Fotografie von Aenne Biermann von 1929: der Blick aus ihrem Atelierfenster auf die Rückwand eines anderen Hauses. Es scheint, als würden die Fenster von dort zurückblicken.