Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) wertet das Zoll-Abkommen zwischen den USA und der Europäischen Union als „Backpfeife gegen die EU“. Man müsse es sich aber teilweise gefallen lassen, „weil die Amerikaner aktuell am längeren Hebel sitzen“, sagte der Minister dem Bayerischen Rundfunk. Aus Sicht der bayerischen Autoindustrie müsse man sagen: Es „hätte schlimmer kommen können“.
US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatten sich am Wochenende auf einen Basiszollsatz in Höhe von 15 Prozent auf die meisten EU-Importe in die USA geeinigt. Das gilt auch für die Autos, Halbleiter und Pharmaprodukte.
Aiwanger: Rüstungsproduktion in Bayern hochfahren
Aiwanger betonte, er hoffe, „dass am Ende die amerikanische Seite auch sieht, dass sie sich selber ins Fleisch schneiden, wenn die Waren, die aus Deutschland kommen, teurer werden“. Angesichts der Belastung durch die US-Zölle müsse man jetzt „in Bayern, Deutschland und Europa alles tun, um unsere Wirtschaft von den Hemmnissen zu befreien, die wir uns selber ins Nest legen“, sagte der FW-Politiker.
„Die hohen Steuern, die hohen Energiepreise, die ganze Bürokratie, das müssen wir selber zurücknehmen, wenn wir schon auf die US-Politik sehr wenig Einfluss haben.“ Zugleich müsse die Rüstungsproduktion in Bayern und Deutschland hochgefahren werden. Aiwanger betonte: „Wir raten auch, dass bei uns mehr Rüstungsgüter produziert werden und nicht am Ende alles bei den Amerikanern gekauft werden muss.“
Söder fordert Entlastungen für Exportwirtschaft
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte Entlastungen für die Exportwirtschaft in Deutschland. Es sei beispielsweise elementar wichtig, so schnell wie möglich einen Industriestrompreis einzuführen, der die Möglichkeit biete, die Energiekosten so weit zu senken, dass die Belastungen durch die Zölle etwas ausgeglichen würden.
Zudem erteilte er neuen Steuern in der Europäischen Union für die Industrie eine klare Absage: „Das wäre völlig kontraproduktiv. Wir müssen einfach weniger Green Deal machen in Europa, sondern einen Economic Deal“, sagte der CSU-Politiker bei einem Treffen mit der Landeshauptfrau von Salzburg, Karoline Edtstadler. Als Beispiele nannte er einen massiven Bürokratieabbau in der EU und mehr Freiräume etwa bei Lieferkettengesetzen.
Zoll-Deal: „Bayerns Exporte werden einbrechen“
Von Aufatmen, dass das Schlimmste verhindert wurde, bis hin zu großer Sorge über die Benachteiligung der hiesigen Unternehmen reichen die Reaktionen der bayerischen Wirtschaft auf die Zoll-Einigung mit den USA. Beim Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK) spricht man von einem Kompromiss, der die Wirtschaft im Freistaat teuer zu stehen kommen werde.
Der neue Basiszollsatz von 15 Prozent dürfte ihrer Einschätzung nach zu einem jährlichen Verlust der Wirtschaftsleistung von 0,15 Prozent in Deutschland führen. Für Bayern entspreche das einem Minus von mehr als einer Milliarde Euro jährlich, sagt Manfred Gößl, Hauptgeschäftsführer des BIHK. Betroffen seien in der bayerischen Industrie insbesondere der Automobilsektor, der Maschinenbau und die Produktion elektrischer Ausrüstungen. Die bayerischen Exporte in die USA könnten auf Jahressicht um gut fünf Milliarden Euro auf rund 25 Milliarden Euro zurückgehen.
Sorge um Verlässlichkeit des Zoll-Deals
Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) verweist darauf, dass Bayern von den US-Zöllen stärker betroffen sei, weil hier der Export-Anteil in die Vereinigten Staaten mit 13 Prozent höher liege als bundesweit. Doch angesichts der zunächst angedrohten Zölle sagt vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt, dass es hätte schlimmer kommen können. Allerdings sei im Bereich Chemie und Pharmazie noch unklar, wie hoch die Zölle dann am Ende sein werden.
Auch für Manfred Gößl vom BIHK sind noch nicht alle Fragen geklärt. Vor allem bleibe völlig offen, ob der Zoll-Deal unter einem Präsidenten Trump verlässlich ist oder nur eine Übergangslösung sein wird.
Zoll-Einigung: Drastische Folgen für die deutschen Autokonzerne
Beim Autokonzern Audi reagiert man zurückhaltend. Grundsätzlich ist man in der Ingolstädter Unternehmenszentrale froh, dass es im Zollstreit mit den USA nun eine Einigung gibt. Doch zunächst einmal müssten die konkreten Auswirkungen bewertet werden. Bisher gebe es keine schriftlichen Unterlagen, was da zwischen von der Leyen und Trump genau beschlossen wurde, heißt es bei Audi.
Vor Trump lagen die Einfuhrzölle von Autos in die USA bei 2,5 Prozent. Trump hatte im April zusätzliche Sonderzölle von 25 Prozent verhängt. Allein im Frühjahr hat dies Audi nach eigenen Angaben mit 600 Millionen Euro belastet. Das ist mit ein Grund, warum der Autokonzern jetzt seine Prognose für das Gesamtjahr gesenkt hat.
Der Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer verweist darauf, dass durch die jetzt getroffene Abmachung die deutschen Konzerne profitieren, die in den USA produzieren. Denn ausgerechnet BMW und Mercedes sind die größten Exporteure von in den USA hergestellten Fahrzeugen. Sie könnten künftig dort hergestellte Fahrzeuge zollfrei in die EU bringen. Doch weil umgekehrt die Zölle weiter hoch bleiben, seien die Beschäftigten in der Auto- und Zulieferindustrie hierzulande die Verlierer, so Dudenhöffer. Für Audi besonders bitter: Die Ingolstädter haben in den USA kein Werk. Der US-amerikanische Markt ist aber wichtig für den Konzern.
Ifo-Chef: „Zoll-Deal ist eine Demütigung für Europa“
Beim Münchner Ifo-Institut sieht man den „asymmetrischen Handels-Deal“ als eine Demütigung für die EU. Er reflektiere aber die realen Machtverhältnisse. „Mehr war nicht drin“, erklärte der Präsident des Ifo-Instituts, Clemens Fuest.
„Wer wirtschaftlich zurückfällt und die Sicherheit seiner Bürger ohne die USA nicht schützen kann, darf sich über Demütigung nicht wundern“, sagt Fuest. Das Angebot der EU könnte dazu führen, dass der deutsche US-Export dauerhaft um knapp 19 Prozent einbrechen könnte.
Zwar würden manche Waren in andere Länder umgeleitet, dennoch dürften die deutschen Exporte insgesamt um etwa 1,6 Prozent zurückgehen, prognostizieren die Ifo-Wirtschaftsforscher. Das hätte spürbare Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft, die derzeit ohnehin vor erheblichen anderen Herausforderungen stehe.
Bayerische Wirtschaftsverbände fordern stärkende Maßnahmen
Ziemlich einhellig ist die Forderung bei den bayerischen Wirtschaftsverbänden, dass die EU und Deutschland nun anderweitig die Konjunktur beleben. Laut BIHK-Hauptgeschäftsführer Gößl kommt es jetzt umso mehr darauf an, dass die Europäer die bestehenden Hürden im EU-Binnenmarkt endlich abbauen und Freihandelsabkommen mit anderen Staaten abschließen. Außerdem müsse die deutsche Bundesregierung Strukturreformen vor allem beim Bürokratieabbau, bei der Digitalisierung und den sozialen Sicherungssystemen angehen. Eine Forderung, die auch bei der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft unterstützt wird.
Mit Informationen von dpa.