Über dieses Thema berichtet: 42, die Antwort auf fast alles am 21.07.2025 um 14.15
Eigentlich mag man es kaum noch hören: Was darf man essen, was sollte man besser lassen? Über die Hälfte der Menschen empfinden das Thema Ernährung mittlerweile als anstrengend, weil man auf so vieles achten muss. Gleichzeitig sind laut einer repräsentativen Umfrage von 2024 (externer Link) fast 89 Prozent unsicher, ob sie sich überhaupt gesund ernähren.
Ernährungsempfehlungen sind wie „Glaskugel lesen“
Kein Wunder: Wer sich gesund ernähren möchte, wird schnell verunsichert. Mal ist Kaffee ein Risiko, dann plötzlich ein Schutzfaktor. Fleisch galt lange als unverzichtbar, dann wieder als krebserregend. Eier sind gesund – und dann plötzlich doch wieder Cholesterinbomben.
„Die gesicherten Erkenntnisse von heute sind die Irrtümer von morgen“, sagt Dietlind Hanrieder, Professorin für Ökotrophologie an der Hochschule Anhalt, zu den sich ständig wandelnden Ernährungsempfehlungen. Auch Ernährungswissenschaftler Uwe Knopp urteilt: „Allgemeine Ernährungsempfehlungen sind auf einem Niveau vom Glaskugellesen. Und besonders dann, wenn noch Zahlen eingespielt werden, werden die Leute noch verrückter gemacht.“
Wie entstehen Ernährungsempfehlungen?
Viele Studien beruhen auf Selbstauskünften – etwa Fragebögen, in denen Menschen angeben, was sie in den letzten Monaten gegessen haben. Diese Daten sind oft ungenau, weil Menschen sich schlecht erinnern oder ihre Angaben beschönigen.
Ein weiteres Problem ist die Interpretation dieser Daten: Häufig zeigen sie nur statistische Zusammenhänge und keine Ursachen. Das führt immer wieder zu vorschnellen und falschen Schlussfolgerungen.
Beispiel Rotwein: Warum Korrelation nicht gleich Kausalität ist
Frühere Studien zeigten: Rotweintrinker leben länger und haben seltener Herzkrankheiten. Daraus wurde geschlossen, Rotwein sei gesund. Heute gilt diese Interpretation als verkürzt. Der beobachtete Effekt lässt sich eher durch sogenannte Confounder erklären – also Einflussfaktoren wie höheres Bildungsniveau, gesellschaftliches Ansehen, ein stabiles Einkommen, bessere Gesundheitsversorgung und weniger Stress. Diese Bedingungen fördern die Herzgesundheit – unabhängig vom Rotweinkonsum. Die bloße Beobachtung, dass Rotweintrinker gesünder sind, bedeutet also nicht, dass Rotwein die Ursache dafür ist.
Wie Interessen Ernährungsempfehlungen beeinflussen
Viele Studien werden von Unternehmen finanziert – etwa aus der Lebensmittel- oder Zuckerindustrie. Schon in den 1960ern wurde bekannt: Zuckerkonzerne lenkten gezielt die Aufmerksamkeit auf Fett als angebliches Gesundheitsproblem, um die eigenen Produkte zu entlasten. Auch heute noch beeinflussen Lobbygruppen Forschung und öffentliche Debatten.
Gesunde Ernährung: 5 wissenschaftlich fundierte Tipps
Absolute Wahrheiten gibt es in der Ernährung kaum – zu unsicher sind viele Daten, zu stark die wirtschaftlichen Interessen dahinter. Trotzdem lassen sich einfache, pragmatische Leitlinien ableiten, auf die sich die Forschung weitgehend einigen kann:
1. Die Leber entlasten
Die Leber verarbeitet Nährstoffe, wandelt sie um, speichert sie und gibt sie bei Bedarf ab – ein lebenswichtiges Organ. Zucker und Alkohol fördern die Einlagerung von Fett im Lebergewebe. Deshalb sollten sie möglichst selten und nur in kleinen Mengen konsumiert werden.
2. Mehr Ballaststoffe essen
Ballaststoffe aus Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten und Vollkornprodukten unterstützen das Darmmikrobiom – mit positiven Effekten auf Verdauung, Immunsystem und Gehirnleistung. Sie machen außerdem länger satt.
3. Verarbeitete Produkte meiden
Fertiggerichte, Snacks und stark verarbeitete Lebensmittel enthalten oft viel Zucker, Salz, minderwertige Fette und Zusatzstoffe. Sie fördern Entzündungen und erhöhen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes.
4. Bunt und abwechslungsreich essen
Es gibt wenig harte Daten, ob dies oder jenes gesund oder nicht so gesund ist. Da viele Zusammenhänge noch nicht erforscht sind, ist Vielfalt die sicherste Strategie: „Man nimmt praktisch alle Vorteile mit – auch die, die man noch nicht kennt – und verteilt zugleich das Risiko“, so Hanrieder.
5. Stressfrei essen und genießen
Ernährung ist Teil des Alltags und der Kultur. Wer ständig verzichtet, zählt und zweifelt, entwickelt ein gestörtes Verhältnis zum Essen. Studien zeigen: Chronischer Diätstress kann langfristig schaden. Wer dagegen auf Hunger- und Sättigungsgefühl hört, regelmäßig isst und genießt, trifft oft bessere Entscheidungen – ganz ohne Zwang.