Bei seinem Besuch in Niederbayern diese Woche war es EU-Agrarkommissar Christophe Hansen (EVP) wichtig, eine Botschaft an die bayerischen Biobauern zu senden: „Natürlich will ich absolut verhindern, dass wir Biobetriebe verlieren“, sagte er: „Deshalb mein Angebot, dass wir die EU-Verordnung öffnen.“ Dabei geht es um die Frage, ob nach Biostandard gehaltene Rinder in jedem Fall auf die Weide dürfen.
EU schreibt Weide für Biorinder eigentlich seit 1999 vor
Das schreibt die EU-Ökoverordnung eigentlich schon seit 1999 vor. Für viele Biomilchkühe in Bayern trifft das aber bisher nicht zu. Denn Deutschland und Bayern haben die Verordnung lange so interpretiert, dass auch ein Stall mit Auslauf und Grünfutter für das Biosiegel ausreicht. Die Europäische Union hat seit einigen Jahren jedoch klar gemacht, dass sie das nicht länger akzeptieren will. Eine bisher eingeräumte Übergangsfrist endet dieses Jahr.
Viele Biohöfe haben keinen Platz
Viele landwirtschaftliche Betriebe in Bayern drohen deshalb, das Biosiegel zu verlieren. Denn in der kleinteilig strukturierten Landwirtschaft im Freistaat fehlen oft die hofnahen Flächen, um die Tiere nach draußen zu treiben. Offizielle Zahlen fehlen, aber einzelne bayerische Biomolkereien äußerten die Befürchtung, dass 15 bis 20 Prozent ihrer Lieferbetriebe auf konventionelle Produktion umstellen müssten, weil sie die Auflagen nicht erfüllen könnten.
Kommissar will EU-Bioverordnung ändern
Dass diese Situation entstanden ist, habe nicht die EU zu vertreten, betonte der luxemburgische EU-Kommissar, sondern es liege an Deutschlands Umsetzung der Richtlinie. Mehr als 25 Jahre wären Zeit gewesen, um sich auf die Anforderungen einzustellen. Wie genau die EU-Verordnung jetzt verändert werden soll, sagte Hansen nicht. Aber jedenfalls werde die EU-Kommission noch dieses Jahr einen Vorschlag für eine Gesetzesänderung vorlegen. Die braucht dann aber auch noch die Zustimmung von EU-Parlament und Rat.
Vielleicht nur ein Teil der Tiere auf die Weide?
Die bayerische Landesvereinigung für den ökologischen Landbau (LVÖ) reagiert erfreut. Als möglicher Kompromiss sei denkbar, dass Ökobetriebe, die auf der Weide zu wenig Platz haben, jeweils nur einen Teil ihrer Tiere draußen halten, etwa Jungrinder. Klar ist nach Einschätzung von LVÖ-Geschäftsführerin Maria Lena Hohenester aber auch: „Dass ein Betrieb, der null Prozent Weide macht, bio bleiben kann, ist in meinen Augen vermutlich nicht mehr möglich.“
Biobetriebe unter Zeitdruck
Viele Ökobetriebe in Bayern können nach Angaben des Verbands allerdings kein langwieriges EU-Gesetzgebungsverfahren abwarten. Sie stehen unter Zeitdruck und müssten schon jetzt Entscheidungen treffen. So ende die Frist für eine Entscheidung über die Teilnahme am bayerischen Kulturlandprogramm (Öko-KULAP) im September. Nötig sei auch eine flexible Umsetzung und längere Übergangsfristen von Seiten der bayerischen Staatsregierung, die im Freistaat für den Vollzug der EU-Ökoverordnung zuständig ist. Ähnlich sehen das auch der Bauernverband und die Ökoverbände Bioland, Demeter und Naturland. In einer gemeinsamen Mitteilung schreiben sie, der Ball liege nun bei Bund und Ländern: Diese müssten „kurzfristig eine flexible Brückenlösung zur Umsetzung der Weidepflicht ermöglichen“.
Ministerin sieht keine Möglichkeit für bayerische Sonderregeln
Dafür sieht das bayerische Landwirtschaftsministerium allerdings wenig Möglichkeiten. Auf BR-Anfrage begrüßte Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) die Ankündigung Hansens, einen entsprechenden Vorschlag habe sie bereits im März gemacht. Jetzt sei entscheidend, das EU-Gesetzgebungsverfahren schnell voranzutreiben. Bis dahin gelte jedoch weiter das bestehende Öko-Recht, und in einem Rechtsstaat gebe es keine „Brücken“, auf denen geltendes Recht nicht vollzogen werde. Deshalb müsse Bayern die Erfüllung der Weidepflicht ab 2026 konsequent einfordern, wie es bereits seit Januar kommuniziert sei. Betriebe müssten jetzt selbst prüfen, ob sie das Risiko, die Vorgaben zu verletzen, tragen könnten. Ansonsten gebe es noch bis Ende September die Möglichkeit, den KULAP-Förderantrag zurückzuziehen.
Kaniber: Ohne Weide haben Biobetriebe keine Zukunft
„Wir wollen möglichst viele Öko-Betriebe erhalten“, schreibt Kaniber auf BR-Anfrage: „Aber, und hier müssen wir ehrlich bleiben, gänzlich ohne Weide haben Rinder-, Schaf- und Ziegenhalter auch nach einer möglichen Änderung der Öko-Verordnung im Ökolandbau keine Zukunft.“ Das Vertrauen der Verbraucher in die hohen Tierwohlstandards des Ökolandbaus sei ein hohes Gut. Dementsprechend müsse das bayerische Landwirtschaftsministerium handeln.