Sehen wir dreidimensionale Bilder eines krank aussehenden Avatars, einer künstlichen Person, schaltet unser Immunsystem offenbar schon auf Abwehr, ähnlich wie bei einer echten Infektion. Das ist das Ergebnis einer jetzt veröffentlichten Studie (externer Link).
Das internationale Forscher-Team um Camilla Jandus von der Universität Genf konnte nachweisen, dass der Anblick krank aussehender künstlicher Gesichter mit einer Virtual Reality-Brille bei den Studienteilnehmern zu Veränderungen im Gehirn und im Blut führte, fast so, als müsste der Körper echte Krankheitserreger abwehren.
Aktivierung der Immunabwehr mithilfe von Avataren
Für ihre Untersuchungen setzten die Forscher ihren Probanden VR-Brillen auf und zeigten ihnen Avatare mit unterschiedlichen Gesichtern, die ihnen in der virtuellen Welt unterschiedlich nahekamen. Bei einem Experiment sahen die Avatare krank und ansteckend aus, beim nächsten hatten sie neutrale Gesichter und bei einem weiteren Versuch hatten die menschenähnlich aussehenden Avatare einen ängstlichen, aber keinen infektiös wirkenden Gesichtsausdruck. Mittels EEG und MRT ermittelten die Wissenschaftler schließlich die Gehirnaktivität der Studienteilnehmer und entnahmen ihnen Blut.
Anblick kranker Avatare: Die Veränderungen im Gehirn und im Blut
Sie stellten fest: Bei den Studienteilnehmern, die kränklich aussehende Avatare sahen, war der Hypothalamus, also jene Region des Gehirns, die an der Aktivierung der Immunabwehr beteiligt ist, besonders aktiv. Ebenso konnte das Team um Jandus Veränderungen im Blut feststellen. „Wir sahen eine Aktivierung der Familie der angeborenen Lymphozyten, der ILCs“, sagt Jandus im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. Diese sogenannten ILCs (englisch für: Innate Lymphoid Cells) sind bestimmte Immunzellen, eine Art Feuerwehr der Körperabwehr, die ausrückt, noch bevor die Bedrohung genau bekannt ist. Die Veränderungen waren umso stärker, je ansteckender die Avatare aussahen und je virtuell näher sie den Studienteilnehmern kamen.
Warum die frühzeitige Aktivierung des Immunsystems wichtig ist
Diese Reaktion des Körpers auf potenzielle Gefahren ist durchaus sinnvoll. In der Evolution hätten wir gelernt, eine potenzielle Bedrohung vorauszusehen und uns auf sie vorzubereiten, erklärt die Medizinerin von der Uni Genf. „Das ist noch keine richtige Immunreaktion. Aber wenn es nötig ist, braucht es dann weniger Energie, um diese Reaktion aufzubauen.“
Ob allerdings statische Bilder ähnliche Immuneffekte hervorrufen wie jene in der Studie mit VR-Brillen erzeugten Bilder, „ist unbekannt und müsse noch erforscht werden“, schreiben die Forscher in ihrer Arbeit. Und wohl auch, ob unser Immunsystem in der realen Welt beim bloßen Anblick krank aussehender Menschen, die uns zu nahekommen, genauso reagiert wie bei den Probanden in der Studie beim Anblick künstlicher Gesichter.