Susannes Mutter will umziehen. Gerade im Alter ist es ihr wichtig, näher an Susanne und ihren anderen Kindern zu wohnen. Doch ihren verstorbenen Mann einfach so zurücklassen? Undenkbar. Es sei enorm wichtig für ihre Mutter, dass sie einfach so ans Grab gehen könne, erzählt Susanne. Beim Umzug würde ein Teil zurückbleiben, „und diesen Teil möchte man ja gerne mitnehmen“. Susannes Mutter wünscht sich deshalb eine Umbettung für ihren verstorbenen Mann. Ist das so einfach möglich?
Anstieg an Umbettungen ist statistisch nicht belegbar
Werden verstorbene Angehörige heute öfter „umgezogen“ als früher? Statistisch lässt sich das nicht belegen. Friedhöfe wie in Nürnberg oder in München bestätigen aber: Die Nachfrage nach Umbettungen ist gestiegen, zumindest wenn es um Urnen geht. Torsten Barthel, Fachanwalt und Professor für Verwaltungsrecht, sieht den Hauptgrund darin, dass Menschen öfter umziehen als früher. Und er sieht eine höhere „Anspruchsmentalität“ bei Angehörigen. Die Totenruhe habe keinen so hohen Stellenwert mehr. „Es ist wichtiger, dass ich die Urne irgendwo in der Nähe habe und nicht wo hinfahren muss.“
Bayern nimmt Totenruhe besonders ernst
Doch die Angehörigen einfach so ausgraben und an einem anderen Ort neu beizusetzen ist gar nicht so einfach möglich. Die Totenruhe ist nach wie vor gesetzlich geschützt und in Bayern wird sie besonders ernstgenommen. Über Anträge auf Umbettungen entscheidet der jeweilige Friedhofsträger. Wer eine Verstorbene oder einen Verstorbenen ausgraben lassen möchte, braucht dafür einen „besonders wichtigen Grund“, denn es gibt auch nach dem Tod ein Persönlichkeitsrecht.
Das Ziel sei schließlich, dass die Verstorbenen wieder zu Erde werden, sagt Fachanwalt Barthel. Und dieser Vorgang sei geschützt durch Ruhezeiten zwischen 12 und 30 Jahren. In dieser Zeit dürfen Urnen und vor allem keine Särge angefasst werden. Um eine Person umzubetten, sei deshalb ein Grund notwendig, der höher wiege als das postmortale Persönlichkeitsrecht.
Umbettungen nach Umzug: In Ausnahmefällen möglich
Die Gründe dafür sind verschieden: Wenn zum Beispiel ein Friedhofsteil geschlossen wird und Gräber verlegt werden. Oder wenn sich eine Grabstätte als ungeeignet herausstellt, weil Wasser eindringt. Ein Umzug der Angehörigen allerdings, zum Beispiel von Würzburg nach Regensburg, reicht allein nicht, um eine Umbettung zu rechtfertigen, so Peter Lippert, stellvertretender Leiter der Städtischen Friedhöfe in München.
Doch es gibt Ausnahmen. Zum Beispiel die 95-jährige Witwe, die mit ihrer Familie fast 800 Kilometer weit vom Heimatort wegzieht. Von ihr zu erwarten, diese Strecke regelmäßig für den Grabbesuch mit dem ICE zurückzulegen, wäre eine Zumutung. In einem solchen Fall kann eine Umbettung stattfinden. Eine Ausnahme wird ebenfalls gemacht, wenn sich herausstellt, dass der oder die Tote nicht ihren Wünschen entsprechenden beerdigt wurden, wenn die Person beispielsweise in einem Rasengrab und nicht wie gewünscht mit Grabstein bestattet worden ist.
90 Prozent der Anträge auf Umbettung werden abgelehnt
Ob einem Antrag auf Umbettung stattgegeben wird, ist also immer eine Einzelfallentscheidung. In den meisten Fällen ist eine Umbettung aber nicht möglich: 90% der Angehörigen, die nach einer Ablehnung vor Gericht ziehen, verlieren den Prozess, so die Erfahrung von Torsten Barthel, der als Anwalt viele Fälle begleitet.
Falls eine Umbettung doch vom Friedhofsträger genehmigt wird, kann eine Umbettung mehrere Tausend Euro kosten. Und sie kann natürlich nur durchgeführt werden, wenn es noch etwas zum Umbetten gibt: Bei biologisch abbaubaren Urnen läuft die Zeit dafür schnell ab.