Die Alternative ist dystopisch
Ein Kollaps des Sozialstaats birgt Risiken. „Die Alternative zum Sozialstaat ist eine dystopische Gesellschaft,“ warnt Schechtl. Das zeige sich in den USA: „In den USA gibt es Leute, die mit 85 noch aufs Feld arbeiten gehen, weil die nicht in Rente gehen können, weil sie kein Geld mehr haben.“
Ärmere Amerikaner leben 15 Jahre kürzer als wohlhabende Altersgenossen. Doch auch die reichsten Amerikaner sterben früher als die ärmsten Europäer. Ein fehlender oder stark eingesparter Sozialstaat führt zu höheren Kosten durch Obdachlosigkeit, Kriminalität und soziale Verwerfungen, warnt auch Fabian Pfeffer.
Lösungsansätze existieren
Im internationalen Vergleich ist die deutsche Ausgabenentwicklung moderat: Unter den 27 OECD-Ländern liegt Deutschland in Sachen Sozialabgaben auf dem drittletzten Platz mit 26 Prozent Wachstum zwischen 2002 bis 2022.
Experten sehen konkrete Optionen: Die Einnahmenseite kann durch progressive Vermögensbesteuerung und Einbeziehung aller Gesellschaftsschichten in die Sozialversicherung gestärkt werden. Die demografische Herausforderung lässt sich durch qualifizierte Migration angehen – junge Zuwanderer könnten das System als Beitragszahler stützen. Das Renteneintrittsalter sollte an die gestiegene Lebenserwartung angepasst werden.
Denkbar ist laut Zeddies auch ein radikaler Neustart des Sozialstaats: weg von der reinen Reparatur-Mentalität, hin zu einem System, das auf Teilhabe, Partizipation und ganzheitlicher Gesundheitsvorsorge und den Chancen der Digitalisierung aufbaut. Dann könnten Künstliche Intelligenz und Automatisierung den Sozialstaat effizienter machen, statt ihn zu belasten.
Demografischer Wandel als Treiber
Das Problem: Verschärft wird die Situation durch die demografische Entwicklung. Die teuersten Posten sind schon länger die Renten- und Krankenversicherung. Hinzu kommt: Die Pflegekosten haben sich zwischen 2013 und 2023 nahezu verdoppelt. Gleichzeitig steigen die monatlichen Eigenkosten für Pflegeheimplätze. Die Konsequenz: Die meisten Pflegebedürftigen werden durch Angehörige zuhause gepflegt – die dafür allerdings ihrerseits häufig beruflich kürzertreten. Und: Die Babyboomer-Generation geht in Rente, während immer weniger junge Menschen in die Sozialsysteme einzahlen.