Um sechs Uhr morgens trifft sich eine gute Hand voll Leute in der Alten Flugwerft in Oberschleißheim bei München. Dort ist inzwischen die Luftfahrtausstellung des Deutschen Museums [externer Link] untergebracht. Einst, im Jahr 1912, wurde dort die Königlich Bayerische Fliegertruppe aus der Taufe gehoben. Die Gustav Otto Flugmaschinenwerke aus Puchheim bei München baute bis 1914 geschätzte 80 Doppeldecker. Sie sollten der Königlich Bayerischen Fliegertruppe als Standardflugzeug dienen.
Im Ersten Weltkrieg erwiesen sich die Flugapparate allerdings als nicht fronttauglich: langsam, praktisch unbewaffnet und zu filigran. 1914 wurden sie darum wieder ausgemustert, blieben aber immer mit den Anfängen des Flugfeldes in Oberschleißheim verbunden, auch weil es einige Fotos gibt – etwa von Prinz Leopold von Bayern, der stolz darin Probe saß. Mitfliegen traute er sich wohl nicht.
Als Nachbau wieder auferstanden
20 Jahre Forschung und tausende an Arbeitsstunden kostete der Nachbau des alten Flugzeugmodells, aber jetzt ist es so weit: Der Spätsommertag verspricht schön zu werden: perfektes Flugwetter. Darum wollen Peter Hanickel und seine Leute den Erstflug wagen: „Wir sind erwartungsvoll. Unsere oberste Prämisse ist aber, dass nichts passiert und der Flieger ganz bleibt. Wenn wir dann noch etwas Luft unter die Räder kriegen, sind wir zufrieden.“
„Diese originale Handwerkskunst, das kann heute kaum noch einer“
Es ist gar nicht so einfach, ein 113 Jahre altes Flugzeug zu fliegen, denn die Technik von 1912 hat wenig mit der von heute gemeinsam und eine Bedienungsanleitung hat damals auch keiner geschrieben. Es ist die Aufgabe von Klaus Plasa, einem der weltweit erfahrensten Testpiloten für historische Flugzeuge, herauszufinden, wie man diesen Flugsaurier reitet. „Man muss auf jeden Fall alles vergessen, was man über das Fliegen weiß und es praktisch neu lernen. Erst wenn man sich sicher genug fühlt, kann man auch einmal wagen, einen Meter abzuheben – und so tasten wir uns dann heran“, erklärt Plasa.
Vorher geht er aber noch prüfend um das Flugzeug herum. Jedes Detail ist wichtig, alles muss stimmen, sonst wird es gefährlich. Aber Plasa ist zufrieden, auch wenn einiges den heutigen Qualitäts- und Sicherheitsansprüchen nicht mehr genügt. Der Testpilot liebt diese Uralttechnik: „Es ist schon toll, wie sie dieses Flugzeug nachgebaut haben. Das kann heute kaum noch einer, diese originale Handwerkskunst, so wie es damals gemacht worden ist.“
Noch Luft nach oben
Dann ist es so weit: Mit Getöse beginnt der Motor zu laufen und treibt den riesigen Holzpropeller an. Erst ein paar vorsichtige Rollversuche – alles scheint sicher. Dann wagt der Testpilot, Vollgas zu geben. Der Motor heult auf, die Maschine jagt über die Wiese, hebt ab und dann … ist sie auch schon wieder gelandet. Es ist weniger ein Flug, als eher ein kleiner Hüpfer von 20 Metern. Plasa ist nicht ganz zufrieden: „Ich brauche mehr Wind. Man merkt, der Flieger ist kurz vor dem Abheben, aber so wird das nichts.“ Die Mannschaft entscheidet: Für heute reicht es. Hanickel zieht trotzdem ein positives Fazit: „Wir haben halt gelernt, was zu lernen ist. Und es ist klar, dass die Leistung nicht ganz reicht.“
In den nächsten Wochen will das Team in der Werkstatt am Motor arbeiten und etwas mehr Leistung herauskitzeln. Dann wollen sie es, bei mehr Wind, wieder versuchen – und dann vielleicht richtig fliegen.