Das Oktoberfest lief noch, als Ludwig I. die Bavaria am 9. Oktober 1850 feierlich enthüllte. Es war ein besonderer Tag für den bayerischen König, der da schon kein König mehr war. Nachdem er nach der Affäre um Lola Montez und den revolutionären Unruhen des Jahres 1848 abgedankt hatte, wurde er nun erstmals wieder endlich im Herzen Münchens von seinen Münchnern und von den Künstlern gefeiert. So schildert es die Historikerin Marita Krauss, die zuletzt die Biographie „Ludwig I. von Bayern. Träume und Macht“ veröffentlicht hat.
Das ist 175 Jahre her und die 18,5 Meter hohe, 87 Tonnen schwere Statue an der Theresienwiese ist für die meisten heute nicht viel mehr als ein Foto-Motiv oder eine Aussichtsplattform – schließlich ist die Bavaria begehbar, eine Wendeltreppe führt nach oben, von wo aus man durch vier Gucklöcher über die Theresienwiese hinweg auf München schauen kann.
Technische Meisterleistung vor der Ruhmeshalle
In Auftrag gegeben von Ludwig I., entwarf Hofbaumeister Leo von Klenze die Figur. Der Bildhauer Ludwig Schwanthaler erstellte ein Modell; das goss der Leiter der Königlichen Erzgießerei, Ferdinand von Miller, in die 87 Tonnen Bronze. In der linken, hochgereckten Hand hält die Bavaria einen Kranz aus Eichenlaub, die Rechte hat sie am Schwert. Daneben sitzt brav der bayerische Löwe. Der Guss galt weltweit als technische Meisterleistung.
Verstehen könne man die Bavaria nur vor dem Hintergrund der Ruhmeshalle, sagt Marita Krauss: „Diese bayerische Ruhmeshalle ist ja das bayerische Nationaldenkmal, adäquat zur Walhalla bei Regensburg. Und die Bavaria übergibt ihren Eichenkranz zur Ehre diesen bayerischen Größen, die in der Ruhmeshalle geehrt werden.“
Griechische Amazone, eingedeutscht
Ursprünglich war die Bavaria konzipiert nach dem Vorbild einer griechischen Amazone. Doch mehr und mehr wurde sie zu einer deutschen Amazone: Eichen statt Lorbeerkranz, Bärenfell statt Tunika. „Das war die Zeit der Romantik und der Mittelalterbegeisterung,“ so Marita Krauss, „wo man nicht mehr auf diese rein klassischen und antiken Vorbilder zurückgehen wollte“.
Verantwortlich für diese Germanisierung beziehungsweise „Bavariasierung“ sei vor allem der Mittelalter-Fan Ludwig Schwanthaler gewesen. „Er hat diesen klassizistischen Klenze-Entwurf verändert in Richtung romantische Mittelalterbegeisterung“, so Krauss. Mit hineingespielt habe auch eine antifranzösische Stimmung; unter dem Eindruck der Rheinkrise von 1840/41 habe die Bavaria immer mehr germanische Anteile bekommen.
Ein friedliches Nationaldenkmal
Anders als viele monumentale Denkmäler dieser Zeit sei die Bavaria zwar durchaus ein „Nationaldenkmal für Bayern“, aber „durchaus ein friedliches“, so Krauss. „Die Bavaria hat zwar ihren wehrhaften Löwen, aber sie ist doch eher eine verträumtere, bayerische Figur – wehrhaft, aber durchaus bayerisch. Wohingegen diese preußisch-deutschen Nationaldenkmäler ein anderes Timbre mit einbringen.“
Und so soll auch der nicht-mehr-König Ludwig I. bei der Enthüllung vor 175 Jahren ausgerufen haben: Er habe ja schon viel Schönes gesehen, aber so Schönes noch nie.