8.000 Objekte beherbergt das Staatliche Museum für Ägyptische Kunst im Münchner Kunstareal. Wie viele davon Fälschungen sind, weiß niemand so genau – aber viele sind es nicht. Alle fraglichen Objekte werden im unterirdischen Depot in einem eigenen Regal aufbewahrt und regelmäßig neu untersucht, denn Forschung und Technik entwickeln sich weiter und liefern immer wieder neue Hinweise, ob etwas authentisch ist oder nicht, sagt Melanie Flossmann, stellvertretende Direktorin des SMÄK: „Aktuell würde ich sagen, dass wir vielleicht fünf Objekte haben, die mit einer Täuschungsabsicht hergestellt wurden, also um als Original auf dem Kunsthandel verkauft zu werden.“
Fälscher-Liebling Ägyptische Kunst
Eine besonders schöne Fälschung ist eine kleine Axt. Einst galt sie als 3.000 Jahre altes Objekt aus dem Neuen Reich. Die Klinge der Axt ist aus Bronze, allerdings wurde damit nie Holz gehackt: Es handelt sich um eine Prunkaxt, die Klinge ziert eine Jagdszene mit einem Hund, der gerade eine Antilope an den Hinterläufen packt. „Das Spannende bei dieser Bronzeaxt ist, dass weltweit mehrere identische Kopien in den Museen existieren. Und dann hat man festgestellt: Eines ist ein Originalobjekt, von dem die anderen kopiert worden sind. Das Original befindet sich in Brüssel, und in München, im British Museum in London und im Brooklyn Museum haben wir eine Fälschung.“
Stilkritik und Naturwissenschaft
Zu diesem Ergebnis kamen die Wissenschaftler nach einer Röntgenfluoreszenzanalyse, mit der sie die Elementarzusammensetzung des Materials ermittelt haben. „Und da ist festgestellt worden, dass in dem Bronzegemisch ein zu hoher Bleigehalt drin war, und zwar das 20-fache von dem, was man aus dem alten Ägypten kennt. Und der hohe Bleianteil ist ganz typisch für Bronzeherstellungen aus dem 19. und 20. Jahrhundert in Europa.“ Die Axt besteht also definitiv nicht aus antiker ägyptischer Bronze, sondern wurde im 19. oder 20. Jahrhundert in unseren Breitengraden hergestellt.
Doch die Sache mit der Materialanalyse hat einen Haken. Melanie Flossmann weist auf ein Kalksteinfragment mit einem ägyptischen Kopf im Profil. Es ist ein Porträt des berühmten Pharaos Echnaton aus der Armanazeit. „Die Armanazeit ist eine Epoche, die sehr beliebt ist bei Kunstfälschern. Was wir hier sehen, ist ein Werk, das wir einer Kunstfälscherwerkstatt zuschreiben können, nämlich einem sehr berühmten Fälscher namens Oxan Aslanian, der Armenier war und vor allem in der Zeit um den Ersten Weltkrieg herum in Ägypten Fälschungen hergestellt hat.“
Ein unentdeckter Meisterfälscher
Oxan Aslanian nutzte für seine Fälschungen Material, das aus denselben Steinbrüchen stammte, aus denen einst auch die Steine für die Originale gebrochen worden waren. Das macht es natürlich schwer, die Fälschung zu entlarven – unmöglich ist es aber nicht. „Aslanian hat einen eigenen Stil entwickelt. Die typischen mandelförmigen Augen sind bei ihm extrem schmal, die Nase hingegen ist eher zu voluminös. Auch die Kappe, die Krone des Herrschers, ragt viel zu tief in den Hals hinein.“
Aslanian schmuggelte Dutzende von Arbeiten in den Markt ein. Alle hatten eine aus ästhetischer Sicht sehr „günstige“, regelrecht pittoreske Bruchkante, immer so, dass das Gesicht erhalten blieb. Oft waren irgendwo auf dem Fragment auch noch ein oder zwei kleine Hieroglyphen angedeutet, nie ein ganzer Text, der hätte ja Fehler enthalten können. Oxan Aslanian war zwischenzeitig von Ägypten nach Deutschland gezogen, betrieb neben seiner geheimen Fälscherwerkstatt auch einen eigenen Antikenhandel und konnte seine Werke so direkt an den Mann bringen. Die Sache flog erst 1971 auf, einige Jahre nach seinem Tod.
Plumpe Fälschungen für Touristen
Während Oxan Aslanian ein Meisterfälscher zu nennen ist, gab es auch Fälscher, die einfach nur dreist waren. Sie kombinierten irgendwelche „typisch ägyptischen“ Motive, ohne darauf zu achten, dass die einzelnen Elemente aus verschiedenen Epochen stammen. Solche Fälschungen entlarvt ein Ägyptologe sofort. Manche Fälschung richtet sich ohnehin offenbar direkt an unwissende Touristen, so wie die zwei Tonscherben mit einer Inschrift, die Melanie Flossmann jetzt zeigt: „Wenn man sich die Inschrift anschaut, schrillen beim Ägyptologen sämtliche Alarmglocken, denn der Text ist nicht lesbar. Man sieht bereits, wie ungelenk das eingeritzt ist, also der Fälscher wusste eigentlich nicht, wie er das umsetzen kann.“
Aufhübschungen für den Kunsthandel, Imitationen aus Hochachtung, legitime Kopien für Studienzwecke, Meisterfälschung oder plumpe Touristenfalle: All diese Existenzformen ägyptischer Kunst spiegeln vor allem eines: den Wunsch, Objekte der altägyptischen Kultur zu besitzen. Dieses Begehren ist in späteren Epochen tief verankert und dahinter steht vor allem eines: die große Hochachtung vor der ägyptischen Kultur. Aus eben dieser Liebe leitet sich für heutige Wissenschaftler auch die Verpflichtung ab, die echte altägyptische Kunst von ihren Nachahmungen zu unterscheiden.
Dieses Thema ist auch Teil der Bayern 2-Serie „Leichen im Keller“ bayerischer Museen.