Alles begann in den verrauchten Hansa-Studios in Berlin, wo ein junger Südtiroler namens Giorgio Moroder seine ersten Schritte in die Musikwelt tat. „Giorgio Moroder kam eines Tages und dann hat man dem den miesesten Tape-Job gegeben“, erinnert sich Schlagersänger und Produzent Michael Holm, ein früher Wegbegleiter. „Da war er dann der Demo-Aufbereiter in einem Raum und auf der anderen Seite haben Leute vorgespielt und das Niveau war so erbärmlich! Mit solchen Sachen musste sich das Hochgenie Giorgio Moroder rumärgern!“ Doch Moroder hatte schon damals größere Pläne und zog bald nach München, wo er den Sound der Zukunft entwickeln sollte.
Die Geburt von Munich Disco
In München gründete Moroder die legendären Musicland Studios. Er erkannte früh das Potenzial elektronischer Musik und entwickelte gemeinsam mit dem Produzenten Reinhold Mack und dem englischen Songwriter Pete Bellotte den einzigartigen Munich Disco-Sound. Doch eine entscheidende Zutat fehlte noch: eine Stimme, die diesen Sound weltweit bekannt machen würde. Diese fand Moroder in Donna Summer, einer jungen Afro-Amerikanerin, die in München als Sängerin im Musical „Hair“ auftrat.
Durchbruch mit „Love to Love You Baby“
1975 war das Jahr des Durchbruchs: Vor 50 Jahren nahmen Moroder und Summer den Song „Love to Love You Baby“ auf, der mit seinem treibenden Beat, den schmachtenden Streichern und Summers verführerischer Stimme ein Welterfolg wurde. Der Song erreichte Platz zwei der US-Charts und erklomm die Spitze der Dance-Charts.
Eine Stadt im Disco-Fieber
München wurde in den 70er Jahren zur zweitgrößten Musikstadt der Welt nach New York – sagt Michael Holm. Aufnahme-Studios, Discotheken, kleine Bars, angesagte Modeläden sprossen überall aus dem Boden. Die Stadt erlebte einen kulturellen Aufbruch, der Menschen aus allen Gesellschaftsschichten und Ländern anzog. „Dieser Aufbruchsgeist war unglaublich geil“, erzählt Jens Poenitsch, Musiker und DJ und Autor des Buchs „Munich Sounds Better With You“: „Gruppen, die man damals als Minderheiten bezeichnet hätte, mischten sich mit ganz normalen Menschen und hatten aufgrund der Kraft der Musik einen schönen Abend zusammen“.
Die Ära der Disco-Klassiker
Neben „Love to Love You Baby“ produzierten Moroder und Summer zahlreiche weitere Hits, darunter „I Feel Love“ oder „Hot Stuff“ (aufgenommen in Los Angeles). Auch andere Musiker und Gruppen wie Silver Convention mit ihrem Hit „Fly, Robin, Fly“, der drei Wochen lang die US-Charts anführte, trugen zum Erfolg von Munich Disco bei. Ein stilprägender Sound, der bis heute, behutsam modernisiert, weltweit die Tanzflächen füllt.
Das Erbe des Munich Sounds
Auch wenn die Disco-Welle Ende der 70er Jahre abebbte, lebte Munich Disco weiter. Giorgio Moroder verlegte seinen Lebensmittelpunkt nach Los Angeles, wo er weiterhin erfolgreich Musik produzierte. Donna Summer wechselte ebenfalls (zurück) in die USA und galt bis zu ihrem Tod 2012 als unangefochtene Queen of Disco. Derweil führte Reinhold Mack die Musicland Studios in München weiter und produzierte dort Hits für internationale Stars wie Queen, die Rolling Stones oder das Electric Light Orchestra.
Ein unvergessenes Kapitel der Musikgeschichte
Ende der 80er Jahre schloss das Musicland Studio seine Türen – weil die Miete drastisch erhöht wurde. Was bleibt? Ein bedeutendes Kapitel der Musikgeschichte, das in seinen Ursprung in der bayerischen Hauptstadt hatte, das für Innovation und kulturelle Vielfalt steht und für die Kraft der Musik, Menschen zu verbinden. Oder wie Edith Nefzger, eine Disco-Besucherin der ersten Stunde, sagt: „Wenn man die Musik hört aus dieser Zeit und tanzt, dann ist das sofort wieder da. Man hat dieses Körpergedächtnis. Das ist ein Wahnsinn immer!“
Die Sendung „Munich Disco – Wie Giorgio Moroder und Donna Summer die Musikwelt eroberten“ beleuchtet die Ursprünge von Munich Disco, beschreibt Aufbruchstimmung und Lebensgefühl der Generation Disco. Verfügbar in der ARD Audiothek.