Der Kontrast könnte nicht größer sein: Auf der Pressekonferenz zur Wiedereröffnung der Villa Stuck geht es um die Erneuerung der Einbruchmeldeanlage, ein paar Meter weiter öffnet sich immer wieder eine Tür und laute elektronische Musik stört für einen kurzen Moment die sehr förmliche Veranstaltung. Die Tür führt zur Chicks-on-Speed-Ausstellung „Utopia“. Schreitet man hindurch, landet man in einer Art überdimensionierten Kinderzimmer, drei Stockwerke umfassend, Bonbon-bunt und im besten Sinne unaufgeräumt.
Musik-Objekte und audiovisuelle Apps
„Es ist wie ein großes Gesamtkunstwerk unserer Arbeit mit verschiedenen Medien,“ beschreibt Alex Murray-Leslie, Gründungsmitglied der Chicks on Speed, den Ausstellungsmix. „Man sieht, wie jedes unserer selbst gebauten Instrumente zu einem Lied oder zu einer bestimmten Performance gehörte. Die wiederum mit einem Kostüm verbunden war, auf das Kathi einen Text geschrieben hatte, der wiederum aus einem Lied stammte.“
Und es darf auch gespielt werden in diesem Kinderzimmer, zum Beispiel auf selbst entworfenen Musik-Instrumenten der Band: Dem „Theremin Tapestry“ etwa, einer farbenfrohen Tapisserie mit eingewobenem Theremin, entlockt man Töne, indem man mit den Händen vor dem Wandteppich gestikuliert.
Musik machen kann man auch mit verschiedenen Apps: „Wir haben eine Reihe von Apps entwickelt, die wie ein musikalisches, visuelles Game funktionieren,“ erklärt Murray-Leslie, „die aber auch die Möglichkeit bieten, sich auszudrücken. Die wurden eigentlich entwickelt, damit wir damit auf der Bühne auftreten können. Aber dann landeten sie in unseren Ausstellungen und Kinder fahren total darauf ab!“
Humor trotz ernster Weltlage
„Utopia“, so hieß auch schon mal ein Song von Chicks on Speed. Nun also die Ausstellung. Es scheint sich um eine Utopie zu handeln, in der jede und jeder kreativ sein darf, in der man den grauen Alltag hinter sich lässt, vermeintliche Selbstverständlichkeiten hinterfragt. Doch die Chicks-on-Speed-Utopie ist kein naiver Eskapismus: Die „High-Heel-Gitarre“ ist als Reaktion auf das Macho-Gehabe in der Rockmusik zu verstehen. An ein Bootssegel werden Bilder der „Global Sumud Flotilla“ projiziert, jener Gruppe von Aktivisten, die auf 40 Booten Hilfsgüter nach Gaza bringen wollte und die von der israelischen Marine gestoppt wurde. Selten findet man den Ernst der Welt und spielerischen Humor so nah beisammen.
Dabei überlegen Chicks on Speed genau, wie sie ihre künstlerische Praxis der Zeit anpassen, so Alex Murry-Leslie: „Es gibt bestimmte Methoden in der Kunst, die heute nicht mehr dieselbe Relevanz haben wie früher. Ironie zum Beispiel. Denn die Welt braucht die Kunst heute mehr denn je, um die Gesellschaft zu verändern und ernsthafte gesellschaftliche Herausforderungen anzugehen.“