Man muss schon alle ihre Verrücktheiten berücksichtigen, um sie zu verstehen: die Frau, die gegen Windmühlen kämpft, die Kräuterhexe, Kneipenwirtin und Esoterikerin, die Kabarettistin und Performerin des Sauerkraut-Rap – vor allem aber die Rollenspieler- und Rollenverweigerin, die Anfang der Achtziger zunächst mal den deutschen Autorenfilm ordentlich aufmischte: mit einem neuen Frauenbild, mit dem Beweis, dass Bayerisch sexy ist und mit der bis heute schönsten Verführungsszene in der Münchner U-Bahn.
Marlene Dietrich aus dem Alpenland
„Zuckerbaby“ von 1984 ist ihre erste Hauptrolle. Ausgestatteten mit mörderischen High Heels und einem Schokoriegel lockt sie einen strizzihaften U-Bahn-Fahrer, gespielt von Eisi Gulp, an. Und wie sie das tut, wie sie sich dabei mit kompromissloser Offenheit von der schüchternen Bestattungsunternehmerin in eine schillernde Venusfalle verwandelt, das ist schon herzzerreißend komisch. Und der Beginn einer engen Zusammenarbeit mit dem Regisseur Percy Adlon, der in ihr eine „alpenländische Marlene Dietrich“ sah.
Nur ein paar Jahre später, 1987, gelingt dem Gespann Adlon-Sägebrecht ein Coup. „Out of Rosenheim“ wird ein Überraschungshit des Independent-Kinos. Auch diese Geschichte ist schräg. Auch hier schimmert das „Original“ Sägebrecht immer durch. Auch hier bringt sie, wie sie es nennt, ihre eigenen „Aufblitz-Ideen“ mit ein. Und dann lässt sie völlig los. Sie spielt, nein, sie ist Jasmin Münchgstettner, eine Frau, die nach einem Ehekrach in Texas strandet, im Trachtenjanker durch die Wüste stapft und sich radebrechend Land und Leute erobert.
Mit „Out of Rosenheim“ in die Welt
Nach „Out of Rosenheim“ hätte es für die Gärtnerstochter aus Starnberg die klassische Hollywood-Karriere werden können. Aber Marianne Sägebrecht nahm sich die Freiheit, nach Gusto zu entscheiden. Als Woody Allen anrief, hatte sie gerade keine Zeit. Auch Harry Potter wäre eine Option gewesen. Aber Lehrerin im Zauberinternat: nicht so ihr Ding.
Immerhin von Danny deVito ließ sie sich überreden. In der schwarzen Beziehungskomödie „Der Rosenkrieg“ glänzte sie an der Seite von Michael Douglas und Kathleen Turner.
Geschadet hat es ihr nicht, dass sie sich mitunter rar gemacht hat. Marianne Sägebrecht strotzt immer noch vor Energie. War zuletzt in „Ein ganzes Leben“ zu sehen, der Verfilmung des Bestsellers von Robert Seethaler. Und letzte Jahr erst im Künstlerdrama „Münter & Kandinsky“.
Sie habe noch Pläne im Kopf, hat sie gerade erst in einem Interview verraten. Und sie traue sich auch noch an Neues.