Ein „Abendgebet“ hätte man unter den acht potenziellen Wiesn-Hits der kommenden Saison nicht unbedingt erwartet: Hannes Ringlstetter und die Chiemgauer Folk-Rock-Band Django 3000 nehmen mit einem eher sentimentalen Rausschmeißer am Wettbewerb „A Liad für d’Wiesn“ der Stadt München teil: „Ja jedzd gema hoam/ fia heid hama gnua.“
Wer weiß, womöglich wanken Feierwütige ja tatsächlich bald zu diesem „meditativen“ Abgesang durch die neonhelle Nacht zu U- und S-Bahn: „Drugg dei Kippn aus/ jedzd sparr ma zua.“ Ob der „Endzeit-Song“ Chancen auf den Sieg hat, sei dahin gestellt, immerhin wird darin der Weltuntergang beschworen und prophezeit, dass „ois immer schlimmer“ werde – aber das ist in Altbayern ja bekanntlich ein Grund, nochmal die Bedienung heranzuwinken.
„Was die Höhnluft mit uns macht“
Der neue Münchner Wiesn-Stadtrat Christian Scharpf zeigte sich begeistert [externer Link] vom Zuspruch am Wettbewerb, es seien 115 Songs eingereicht worden. Ein Expertengremium, darunter Peter Inselkammer, der Sprecher der Wiesnwirte, wählte acht Kandidaten aus, über die jetzt bis zum 16. Juli abgestimmt werden kann.
Wer sich beteiligt, kann Tischreservierungen samt Bier- und Hendl-Gutscheine gewinnen. Um einen der Song-Verse zu zitieren: „Da wird ma glei ganz hoas.“ Später soll unter den drei Bestplatzierten der Sieger gekürt werden, abermals mit einem Voting. Ob der Gewinner das Zeug zum „Wiesnhit“ hat, werden aber natürlich die Millionen Bierzelt-Besucher entscheiden.
Der Klagenfurter Austropopper Matthias Ortner alias „Matakustix“ orientiert sich mit seinem Song „Hüttenliebe“ eher an Après-Ski-Gaudi als an der Seehöhe der Theresienwiese (517 Meter). Unter feministischen Aspekten ist der pistentaugliche Text etwas fragwürdig: „Schatzi du und i heit Nacht/ Da wird Hütten, Hütten, Hüttenliebe gmacht.“ Etwaigen Kritikerinnen serviert Ortner allerdings gleich eine plausible Entschuldigung: „Was die Höhnluft mit uns macht/ Das hätt ich mir nie gedacht.“
„Vielleicht trink ma’s glei im Garten?“
Kontrabassist und Gitarrist Michael Fenzl geht mit der ultimativen Wiesn-Botschaft ins Rennen: „Bierdringa“. Dabei legt der Blasmusik-Sound gleich so forsch los, dass sich mancher womöglich eher auf einer Berliner House-Party wähnt. Zum Mitschunkeln ist das Lied jedenfalls eindeutig zu rasant, zum Headbanging dagegen gerade richtig. Überhaupt sind hier ungeduldige Hopfenjünger gefragt: „Kann’s schon goa nimmer dawarten/Vielleicht trink ma’s glei im Garten?!“
Max Weidner (Selbstauskunft: „Modisch wie die Hauptstadt, erdig wie die Oberpfalz“) stellt sich dem Voting mit angenehm aufgerauter Stimme und in Andreas-Gabalier-Pose als „Kini von da Wiesn“ und verspricht: „Mein Thron, des is a Holzbank/Mei Zepter is a Maß.“
Eloge für Bedienung „Tabea“
Reggae-Fans werden sich vermutlich für „Irgendwann“ begeistern, dem Beitrag von DIS M, einer „Gitarren-Beat-Gang“, deren Mitglieder sich als „Lebenskünstler“ zwischen Staudach-Egerndach und München wohlfühlen. Wer sich beim Alkoholkonsum verschätzt hat, bekommt hier den Trost: „I woaß ned wia vui Bam no stehn/Nur dass’s aa ned weitergehn.“
Die Austropopper „Schwanara“ sind in Oberösterreich daheim und besingen inbrünstig den herben Charme der offenbar hoch motivierten Bedienung „Tabea“: „Trogst des Bier so elegant, Dei Kinn so sche markant, Tiefe Stimme, so charmant, Du mit mir im Restaurant – …torant.“
„Gänsehaut auf beiden Ohren“
Fehlt noch „Bierzeltgänger“ Sebastian Gruber alias „Sese“ aus Haselbach: „Mir moch’ma alles unsicher/ Und an Zapfhahn laar.“ Dass er mittendrin ins Auto springt und dazu „Lalalala“ anstimmt, dürfte bei etwaigen Verkehrskontrollen vermutlich keine Partystimmung aufkommen lassen. Aber was soll er machen: Immer, wenn er „Bierzelt“ hört, bekommt er angeblich „Gänsehaut auf beiden Ohren“.
„Tuba-Pop“ ist auch geboten, und zwar von der achtköpfigen „Boy-Band“ Saustoimusi aus der Region Ingolstadt. In deren Song „Käferbam“ weht der Herbstwind die Blätter von den Bäumen, was jahreszeitlich perfekt zur Wiesn passt. Obendrein ruft der Song nach therapeutischer Begleitung, wahlweise durch Kellner oder Freudianer: „Wenn’e endlich amoi ehrlich war/Bin I außen fein/doch innen so zerfetzt.“
So gesehen ist die Wiesn nicht nur Volksfest, sondern ganz nebenbei auch Bayerns erfolgreichste Reha gegen Selbstzweifel, Antriebsschwäche und Liebeskummer. Was die Mundart-Songs betrifft, wird noch spannend, was die Künstliche Intelligenz daraus macht. Bei der Verschriftlichung der Karaoke-Texte kam die Software offenbar an ihre Grenzen. Aber wie lautet Fenzls Prognose? „Ich glaub, der Rausch wird mehrer.“