Es rumorte schon länger beim Grimme Online Award (externer Link) – seit der Aberkennung des Preises für die junge Nahost-Aktivistin Judith Scheytt hagelt es Kritik, vor allem gegenüber Grimme-Chefin Çiğdem Uzunoğlu. Gestern Abend haben nun die Regisseure Moritz Riesewieck und Hans Block ihren Preis auf offener Bühne nicht angenommen. Sie sollten mit einem Sonderpreis für ihren Dokumentarfilm „Eternal You – Vom Ende der Endlichkeit“ über KI-generierte Angebote zur fiktiven Kommunikation mit Verstorbenen ausgezeichnet werden – ließen den Preis aber auf dem Rednerpult stehen.
„Wir hoffen auf eine reflektierte Aufarbeitung“
„Wir hoffen auf eine reflektierte Aufarbeitung, damit wir weiter an diesen Preis glauben können“, sagte Moritz Riesewick am Pult (externer Link zum Stream). „Solange wir das nicht können, stellen wir diesen Preis hier hin und hoffen, uns vielleicht irgendwann wiederzusehen und uns irgendwann wieder richtig zu freuen.“ Dann stellte Riesewieck den Preis auf das Rednerpult und verließ zusammen mit Hans Block die Bühne.
Was war geschehen? Judith Scheytt hatte im Rahmen einer anderen Preisverleihung, dem 33. Donnepp Media Award, den Preis für Medienkritik bekommen für ihre „neue und wahrhaft zeitgemäße Form der Medienpublizistik“, so der Verein der Freunde des Adolf-Grimme-Preises, der den Dennepp Award vergibt. Die damals 17-jährige Schülerin und Aktivistin postete auf Instagram regelmäßig über den Krieg in Gaza und kritisierte dabei auch die deutsche Berichterstattung.
Ehrung wieder aberkannt
Doch nach Kritik an ihren Posts und Antisemitismusvorwürfen wurde ihr der Preis wieder aberkannt. Ausschlaggebend war wohl ein Einwirken der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, die an das Grimme-Institut sowie an den Verein der Freunde des Adolf-Grimme-Preises herangetreten ist. Die Jury habe sich anschließend erneut mit Judith Scheytts Arbeit auseinandergesetzt, so der Vorstandsvorsitzende des Vereins, Jörg Schieb. Man habe festgestellt, dass Scheytt doch nicht preiswürdig sei – und ihr die Ehrung nachträglich aberkannt. Allerdings war das keine einstimmige Jury-Entscheidung, drei Jury-Mitglieder protestierten gegen die Aberkennung.
Das machte Scheytt Anfang September öffentlich, woraufhin es Proteste gab, auch gegenüber dem Grimme-Institut. So gaben etwa die Regisseure Bilal Bahadır und Çağdaş Eren Yüksel ihren Grimme-Preis zurück, den sie im April 2025 für ihre Serie „Uncivilized“ bekommen hatten. Sie erwarteten eine persönliche Positionierung der Institutsleiterin Çiğdem Uzunoğlu zum Vorgang, sagten sie dem „Spiegel“ (externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt). Sie seien mehrmals auf Uzunoğlu zugegangen. Das bestätigte das Institut auch – man habe alle gestellten Fragen ausführlich beantwortet. Umso mehr sei man überrascht, dass die beiden Filmemacher nun ihre Grimme-Preise zurückgeben, hieß es. Die Kritik treffe „den falschen Preis und die falsche Institution“.
Verhärtete Fronten bei Preisverleihung
Uzunoğlu hatte den Konflikt zu Beginn der Verleihung selbst angesprochen: Die Aberkennung des Preises für Scheytt sei „formal betrachtet ein Fehler“ gewesen, sagte sie. Allerdings habe das Grimme-Institut auf diesen Vorgang keinerlei Einfluss genommen. Sie versprach, nun eine offene Debatte zu dem Thema zu führen. Uzunoğlu kündigte zudem an, dass das Institut sich künftig organisatorisch vom Förderverein komplett trennen werde.
Diese Ausführungen von Uzunoğlu reichten Moritz Riesewick und Hans Block nicht aus. Die Aberkennung der Ehrung sei ein massiver Angriff auf die Unabhängigkeit einer Jury-Entscheidung durch Druck von Außenstehenden, sagte Block. Die Grimme-Chefin habe sich demgegenüber versteckt, warf Riesewieck ihr vor.