Bei der 77. Verleihung der Emmys gab es in diesem Jahr gleich mehrere große Abräumer. Einige davon, etwa die Krankenhaus-Serie „The Pitt“ kann man in Deutschland noch nicht streamen. Hier aber vier Empfehlungen unserer Serienkritiker, die viele der prämierten Serien bereits ausführlich besprochen haben:
„Andor“: politische Verwerfungen in einer gar nicht so weit entfernten Galaxie
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Titelheld Cassian Andor (Diego Luna) in der Star-Wars-Serie „Andor“.
Besonders die zweite Staffel der Star-Wars-Serie „Andor“ fügt sich trotz Sci-Fi-Thematik fast schon zu perfekt ins aktuelle Zeitgeschehen ein: Sie zeigt etwa die brutale Unterdrückung von Protesten durch „das Imperium“. Wir begegnen Menschen, die ohne gültige Ausweispapiere zurechtkommen müssen: Zu Beginn der zweiten Staffel muss Titelfigur Andor (Diego Luna) untertauchen. Sie arbeiten schwarz als Erntehelfer. Obwohl es ohne sie keine Ernte gäbe, müssen sie die gewaltsamen Razzien der Einwanderungsbehörde fürchten. Schaffen es die Menschen in der „fernen Galaxie“, sich trotz aller Differenzen, Bubble-Denken und Desinformation zusammenzuraufen, um die Demokratie zu retten? Das ist die handlungstreibende, die entscheidende Frage von „Andor“.
„Adolescence“: Psychogramm der Männlichkeiten
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Wirkt nach: Psychologin Briony Ariston (Erin Doherty) mit dem 13-jährigen Mörder Jamie Miller (Owen Cooper)
„Adolescence“ war im Frühjahr wochenlang Gesprächsthema, wie selten in diesem Jahr eine „Serie der Stunde“. Die Folgen, jeweils als One-Take gedreht, befassen sich mit den unterschiedlichsten Facetten von Männlichkeit und deren gesellschaftlichen Auswirkungen. Der Rahmen dafür ist die Geschichte des 13-jährigen Jamie Miller (Owen Cooper), der in der ersten Folge von der Polizei festgenommen wird, weil er seine Mitschülerin Katie Leonard (Emilia Holliday) ermordet haben soll. Dazu las man in den ersten Kritiken oft, dass die Serie zeige, wie das Internet und Social Media ein Kind zum Mörder mache. Aber so einfach macht es sich „Adolescence“ tatsächlich nicht, sondern nimmt sich viel Zeit und lange Einstellungen für die ganze Komplexität des Themas.
„The Studio“: Hollywood-Selbstbespiegelung mit Staraufgebot
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Bryan Cranston (links) und Seth Rogen in einer Szene aus „The Studio“
„The Studio“ ist eine Serie auf die US-Filmindustrie. Im Mittelpunkt steht der Filmproduzent Matt, gespielt von Seth Rogen, der unerwartet zum Studiochef der fiktiven „Continental Studios“ wird. Matt liebt Filme, ist jedoch besorgt, dass er durch seine Rolle als Studioleiter zwischen Kommerz und eigenem Anspruch das Kino ruinieren könnte. Die Serie verhandelt dabei auch Themen wie Me-Too-Vorwürfe oder den Umgang mit künstlicher Intelligenz, die Filmkunst künftig noch mehr zu algorithmisierter Massenware machen könnte. Außerdem trumpft sie mit einer Vielzahl von Gastauftritten von Hollywood-Legenden wie Martin Scorsese oder Ron Howard auf – wirkt aber dabei bei aller Unterhaltsamkeit manchmal auch ein klein bisschen narzisstisch.
„Severance“: Die Lächerlichkeit der LinkedIn-Sprache
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Adam Scott in „Severance“
„Severance“ ist eine Parodie auf moderne Arbeitskonzepte, deren innere Leere sich hinter Business-Floskeln wie „Leadership Practice“ oder „Stakeholder Engagement“ versteckt. Sie stellt die Frage, ob nicht vielleicht mindestens jeder Zweite eigentlich seinen Job kündigen oder zumindest hinterfragen sollte. In der von Ben Stiller produzierten Serie hat der Konzern „Lumon“ eine chirurgische Prozedur erfunden, die Arbeits- und Freizeit-Ich voneinander trennt. Während die Innies nur das Leben im Büro kennen, erleben die Outies nur die Welt außerhalb der Arbeit. Trotz all der Innovation hat das Ganze dann doch altbekannte Folgen: eine systematische Ausbeutung der Arbeitskräfte.
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