Seit 1977 besitzt Sulzbach-Rosenberg ein Literaturarchiv (externer Link) – und mit ihm zugleich ein Literaturmuseum und auch ein Literaturhaus. Der Schriftsteller, Publizist und Literaturwissenschaftler Walter Höllerer – aus Sulzbach stammend – hatte die Gründung damals initiiert. Sein Nachlass ist Teil der Sammlung, ebenso aber auch das Archiv des renommierten Literarischen Colloquiums in Berlin (LCB, ebenfalls von Walter Höllerer). Zudem gehören Nachlässe von Schriftstellerinnen und Schriftstellern aus Ostbayern, seit jüngstem auch von Übersetzerinnen, zum Bestand.
Ein neuer Blick auf die berühmte „Gruppe 47“
Eine der Autorinnen, zu denen man im Literaturarchiv Sulzbach-Rosenberg forschen kann, ist Ruth Rehmann (1922-2016). Sie gehört zu den wichtigen Erzählerinnen der bundesdeutschen Nachkriegsliteratur und war Mitglied der berühmten „Gruppe 47“, der Vereinigung von Schriftstellerinnen und Schriftstellern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Deren Geschichte wird seit einiger Zeit differenzierter betrachtet. Endlich nimmt man die Autorinnen neben Ilse Aichinger und Ingeborg Bachmann in den Blick – und vor allem neben den vielen Herren.
„Ruth Rehmann hat kontinuierlich Romane veröffentlicht“, sagt Patricia Preuß, die Leiterin des Literaturarchivs in Sulzbach-Rosenberg. „Sie war eine alleinerziehende Frau, die aus Nordrhein-Westfalen nach Bayern gezogen ist, mit ihren Kindern, und auf einem Bauernhof gelebt hat. Sie hat ihren Weg durch den männlichen Literaturbetrieb auch gemacht. Dieses Werk ist wichtig.“7
Wettlesen mit Günter Grass
Ruth Rehmanns Debüt „Illusionen“ erschien kürzlich in einer Neuausgabe im Aviva-Verlag – auch das eine Gelegenheit für eine Wiederentdeckung. Michael Peter Hehl, wissenschaftlicher Leiter des Literaturarchivs, zählt den Roman – er spielt im Wirtschaftswunder-Deutschland – zu den wichtigen Büchern der Zeit. Ruth Rehmann hat es 1958 bei der Tagung der „Gruppe 47“ in Großholzleuten im Allgäu vorgestellt.
„Das war die Tagung, bei der dann Günter Grass berühmt wurde“, sagt Michael Peter Hehl. Er las damals das erste Kapitel aus dem Roman „Die Blechtrommel“. „In den Berichten ist die Rede davon, dass zwei Texte wirklich herausragend qualitativ – nämlich die von Günter Grass und von Ruth Rehmann. Und Grass hat damals den Preis bekommen.“