Frankreich 1969: Jane Birkin und Serge Gainsbourg hauchen laszive Liebeserklärungen ins Mikro. Das Musikvideo zeigt, wie sich die beiden in bunten Kissen vergnügen. Der Pariser Designer Pierre Cardin ist als Star der Modewelt in neuen Galaxien unterwegs, steckt seine Models in knallbunte futuristische Weltraum-Suits.
In den Augsburger Textilwelten, genauer der SWA, der „Mechanischen Spinnerei und Weberei Augsburg“, hinkt man der Zukunft gerade noch etwas hinterher. Das Unternehmen steckt in der Krise, der globale Konkurrenzdruck wächst. Carl-Maria Diehl, Vorstand der SWA geht 1969 in die Offensive. Ein Visionär, der nicht nur dem modernen Zeitgeist und einem neuen Lebensgefühl nachspürt, sondern es auch versteht, internationale Geschäftskontakte auf höchster Ebene zu knüpfen – sogar zu Pierre Cardin. Doch dazu später. Die SWA investiert viel Geld in ein völlig neues Marketing – paradigmatisch dafür steht das Bettwäschelabel Labanny.
Abstrakt statt weiß
Zusammengesetzt aus französisch „la“ und englisch „bunny“ ruft allein der Name sofort Assoziationen an französische Mode und ein neues Lebensgefühl auf. Nicht nur, so Karl Borromäus Murr, Leiter des Staatlichen Industrie- und Textilmuseums Augsburg, das in seinem Depot mehrere Serien des Bettwäschelabels aufbewahrt: „Labanny selber hat natürlich diesen Anklang an den Hasen. Man wird nicht fehlgehen, wenn man die Playboy-Hasen auch im Hintergrund assoziiert. Man hat offen mit diesen Assoziationen des Häschens gespielt und das war in der Konnotation der Zeit natürlich mit Erotik aufgeladen.“ Das Design: Schluss mit langweilig weißen Betten! Stattdessen knallbunte Stoffe mit großen, abstrakten Mustern in gelb, orange, violett, pink. Die Idee, auf bunte Bettwäsche zu setzen, hatte Carl-Maria Diehl, Vorstand der SWA, aus den USA mitgebracht.
Und was erzählen die Fotografien der ersten Marketingkampagne? Junge, nackte, allein von Kissen und Bettdecken umhüllte Pärchen, verbringen ihren Tag gemeinsam im Bett. Ausgelassen und lustvoll. Sie blättern in Büchern, starten zu einer Kissenschlacht und telefonieren auch mal. Zwischen alledem auf jeder Fotografie ein bis zwei weiße, lebendige Kaninchen. Mitten im Werbemagazin taucht dann ein ungewöhnlicher Hinweis auf: „Labanny-Girl ´70 sehr frei fotografiert“, heißt es da. Und weiter: „kann natürlich überblättert werden“.
Befreiung und Abwertung?
Karl Borrmäus Murr sagt: „Der Text bereitet schon vor, dass wir hier etwas zu Gesicht bekommen, ein Pin-up Girl kann man sagen, sehr freizügig fotografiert, das ‚Labanny Girl ´70‘, so wie man das etwa aus Pirelli-Kalendern kennt. Heute würden wir sagen: Das ist sexistisch, natürlich. Auch einen Hasen mit einer jungen Frau zu identifizieren, das ist ja offensichtlich, auch wenn nicht ausgesprochen, eine abwertende Betrachtungsweise. Aber es hat natürlich auch zugleich etwas von sexueller Revolution, von Emanzipation und geplantem Tabubruch.“
Bereits mit der ersten Serie entwickelte sich Labanny für die SWA zu einem ungeheuren Erfolg. Das Augsburger Bettwäschelabel sicherte sich in kürzester Zeit 40% Marktanteil in Deutschland. Carl-Maria Diehl hatte also einige Trümpfe in der Hand, als er auf einer Modenschau den Pariser Designer Pierre Cardin kennenlernte und ihm bald darauf eine Kooperation vorschlug: Er wollte mit Cardin als Designer eine exklusive, besonders edle Bettwäscheserie auf den Markt bringen. – Bereits ein Jahr später, 1971, war es so weit: Cardin wurde anlässlich der Präsentation der neuen, eleganten Serie aus Paris nach Augsburg eingeflogen – nicht genug: Ein eigenes Balettensemble begleitete ihn. Ein Ereignis mit Weltflair.
Vielleicht, so Karl Borromäus Murr, bekommt die Labanny-Bettwäsche, deren Muster zum Teil noch immer ungeheuer modern wirken, einmal einen Auftritt in einer Ausstellung über Konskumkultur: Das wäre großartig, könnte sie doch so viel über die Einflüsse von Kunst und Design, über den Wandel des Betts und über freie Geschlechterverhältnisse erzählen.