Die stärkste aller Drogen wird vermutlich niemals verboten – das Geld. Ob es glücklich macht, darüber gehen die Meinungen sehr auseinander, die Rauschwirkung ist dagegen unbestritten. Und wer wüsste nicht, dass man sich auch an hohe Beträge allzu schnell gewöhnt und für den nächsten Kick immer mehr davon braucht.
Mutig, dass die französische Stückeschreiberin Flavia Coste darüber eine Boulevardkomödie geschrieben hat, schließlich geht es in dieser Sparte sonst eher um Liebe und Seitensprünge. Und um das Wichtigste vorwegzunehmen: Diese Komödie fixt die Zuschauer buchstäblich an, hebt allerdings nicht ihre Moral.
Architekt verzichtet auf Lottogewinn
Im Original heißt die unbedingt sehenswerte Farce, die am 30. September 2017 im Pariser Théâtre des Variétés uraufgeführt wurde, „Non à L´Argent“, also „Nein zum Geld“. Der mäßig erfolgreiche Architekt Richard (Pascal Breuer) gewinnt darin im Lotto, und zwar ganz groß.
162 Millionen Euro könnte er mit seinem Gewinnschein abholen, aber er denkt darüber zwei Monate nach und kommt zum Ergebnis, dass diese Summe ihn und seine Familie überfordern würde. Also will er auf das Geld verzichten und hofft auf das Verständnis seiner Liebsten, denen er seine Entscheidung mitteilt.
Der Zuschauer ertappt sich unwillkürlich dabei, wie er innerlich aufschreit: Wahnsinn, so viel Geld liegenzulassen! Wer gerät bei so einer Summe nicht sofort ins Träumen, was er damit alles anstellen würde – lauter Gutes natürlich. Es fällt schwer, das zuzugeben, aber wohl (fast) jeder im Publikum fiebert um den Lottoschein und hofft inständig, dass er zum Finale doch noch eingelöst wird.
Wir sind halt doch nahezu alle abhängig vom Geld, nicht wenige sogar süchtig, und auf dieses beklagenswerte, aber unvermeidliche Phänomen zielt Flavia Coste, die bei der Münchner Premiere übrigens eigens aus Paris angereist war, in bravouröse Weise.
Makabres „Happy End“
Wie sich schnell herausstellt, trübt der nicht eingelöste Gewinnschein alle Beziehungen nachhaltig: Zu Ehefrau Claire (Dorkas Kiefer), zur Mutter Rose (Kathrin Ackermann) und zum Kollegen Etienne (Sebasian Goder). Niemand von ihnen kann nachvollziehen, warum Richard so selbstlos handelt, zumal er mit den Ziffern vom Hochzeitstag seiner Eltern gewonnen hat.
Es beginnt eine Groteske wie aus Goethes „Faust“, wo Mephisto dem Titelhelden unentwegt vorführt, wie er mit seiner grenzenlosen Macht die Welt verbessern könnte, nur um ihn ins Verderben zu locken.
Wie es ausgeht, wird hier natürlich nicht verraten, nur so viel, Geld macht sehr einsam: Dieses „Happy End“ ist herrlich makaber und an Deutlichkeit nicht zu überbieten. Und weil der Abend einschließlich Pause nur knapp zwei Stunden dauert, fällt es auch kaum auf, dass eigentlich keine Geschichte erzählt, sondern eine absurde Situation ausgemalt wird, mal süffisant, mal sentimental, mal frech.
Fröttmaning für die Flitterwochen
Theaterchef René Heinersdorff hat die Komödie im Herbst 2023 für das Theater an der Kö in Düsseldorf inszeniert, allerdings wurde der Text behutsam an München angepasst. So hat Oberbürgermeister Dieter Reiter immerhin einen Kurzauftritt am Telefon, und Fröttmaning (wo bekanntlich die Allianz-Arena steht) wird als neues Ziel für die Flitterwochen ausgerufen.
Die vier Mitwirkenden spielen allesamt mit wunderbarem „Understatement“, also betont lässig, entspannt, mit ganz viel trockenem Humor, der die Pointen zur Nebensache werden lässt. Typisch französisch, dieser vergnügliche, sehr geschwinde Konversationston, der meilenweit entfernt ist von bemühten deutschen Komödien, die ständig schweißüberströmt auf den „Gag“ zielen.
Autorin Flavia Coste schien zufrieden mit der Produktion – so fröhlich, wie sie sich dem Schlussapplaus stellte. Inzwischen hat sie ein weiteres Stück geschrieben („Aber wir lieben uns doch“/“Alors on s’aime“), über einen viel beschäftigten Therapeuten, der selbst mit einer Sex-Puppe zusammenlebt. Könnte auch „unangenehm“ lustig werden.
„Nein zum Geld“, bis zum 29. Juni 2025 in der Komödie im Bayerischen Hof in München.