Auf dem Weg nach Frankfurt kommt der ICE ungeplant vorher schon zum Stehen. Also spricht der Zugfahrer durch die Lautsprecher zu seinen Gästen: „Liebe Fahrgäste, ich bitte um Entschuldigung. Wir halten jetzt außerplanmäßig in Frankfurt-West. Und das ist wirklich der Vorhof zur Hölle.“ Sofort ist die genervte Stimmung gelockert, erinnert sich Autorin Max Spöcker. Für sie ist das eines ihrer liebsten Deutsche-Bahn-Anekdoten. Und ein Beispiel, das sie gerne nennt, wenn es darum geht, wie seitens der Deutschen Bahn eigentlich mit uns, also den Fahrern, den Gästen und den Pendlern, gesprochen wird.
Wie spricht die DB zu uns?
Denn normalerweise ist es andersherum. Die Fahrgäste beschweren sich über die Deutsche Bahn. Der Klassiker: Sie ist nie pünktlich. Dann kommt natürlich das marode Schienennetz, das oftmals zu Problemen führt. Und dann erst die ganzen laufenden Kosten, mal von den teils hohen Fahrtkosten abgesehen. Die Deutsche Bahn gilt als Smalltalk-Garant. Als Themengebiet, zu dem jeder Mensch eine emotionale Bindung hat.
In diesem Spannungsfeld hat sich Autorin Max Spöcker für ihr Buch „Your ticket is not guilty. This is the end of your fart“ angeschaut, wie die Deutsche Bahn eigentlich zu ihren Fahrgästen spricht. Die Sprache beschreibt sie dabei im BR-Gespräch als „distanziert“, mit vielen passiven Wendungen. Es heißt nicht „Wir sind zu spät“, sondern „Der Zug hat Verspätung“. Zudem würden viele Euphemismen genutzt werden. Zum Beispiel, wenn es heißt, dass der Zug eine hohe Auslastung hat. „Eigentlich bedeutet das: Du kriegst auf gar keinen Fall einen Sitzplatz, vielleicht kannst du auch nicht richtig atmen und Gepäck würde ich sowieso zu Hause lassen. Aber ‚Zug hat eine hohe Auslastung‘ klingt natürlich schöner.“
Dann kommen die standardisierten Floskeln hinzu. Wie das klassische „Ist hier noch jemand zugestiegen?“ nach einer Haltestelle irgendwo zwischen Start- und Endpunkt. Aber sogar diese Sätze erfüllen bei der Bahn einen Zweck, sagt Spöcker. Ähnlich wie „Liebe Fahrgäste, wir wünschen Ihnen einen schönen Tag und weiterhin gute Fahrt“, seien diese Floskeln ein Ausdruck der Freundlichkeit, auch wenn sie seitens der Fahrgäste vielleicht nicht mehr so wahrgenommen werden. Für das Zugpersonal gelten diese Sätze wie ein Ritual, eine gewisse Sicherheit in ihrem Bahn-Alltag.
Mitarbeitende als Sympathieträger
Für die Deutsche Bahn seien, laut Autorin Spöcker, sowieso die Mitarbeitenden im Zug die wichtigsten Menschen: „Wenn ein Unternehmen Nähe und Vertrauen nötig hat, dann noch die Deutsche Bahn“. Dieses Gefühl könne am ehesten durch das Zugpersonal vermittelt werden. Wie wenn es zum Beispiel darum geht, wie der Lokführer Englisch spricht. Ein gängiger und bereits Meme-ifizierter Ausdruck ist dabei das „Sänk ju for träweling wis Deutsche Bahn“ geworden, wie es so auch von der deutschen Band Wise Guys in ihrem Song „Deutsche Bahn“ besungen wird. Dabei der Gag: Deutsche Bahn-Mitarbeitende können kein Englisch.
Max Spöcker findet aber gerade das charmant. Eine zu perfekte Aussprache würde nur zu einer elitären Distanz führen. Dabei machen diese Durchsagen die Menschen dahinter nahbarer, persönlicher. Und wenn der Zugfahrer dann auch noch kommentiert, dass er eine außerplanmäßige Haltestelle als „Vorhof zur Hölle“ betrachtet, dann lässt es ihn wirken wie ein mitleidender Fahrgast, der nur zu gut versteht, was durch die Köpfe in den Waggons geht.