„Heute ist die Spezialoperation ein nationales Projekt ohne Konzept, aber mit einer Buchhaltungsabteilung. Aus einem Startup mit einem Budget, das alle anderen übertrifft, ist ein Wirtschaftszweig mit eigenen Nutznießern geworden“, so Kalitin: „Wer hat behauptet, Russisches Roulette könne kein Geschäft sein? Das ganze Land spielt seit 1.300 Tagen in diesem Todeskasino. Der Croupier will und kann das Spiel nicht stoppen. Sobald er das Licht anmacht, werden sie ihn fragen: ‚Warum hast du überhaupt angefangen?‘ Es gibt also keine Alternative. Platzieren Sie Ihre Einsätze in stockfinsterer Nacht.“
„Putin hat gar keinen Nachfolger“
Ähnlich sieht es der in London lehrende Politologe Wladimir Pastuchow. Er schreibt (externer Link): „Ja, mit Chinas Hilfe kann Putin diesen Krieg lange durchhalten, aber selbst mit Chinas Hilfe kann er ihn nicht gewinnen. Das heißt, die Zeit arbeitet gegen ihn. Es ist keine Überraschung, dass er eine weitere Front eröffnete und der Zeit selbst den Krieg erklärte, in der Absicht, ewig zu leben.“ Das bezieht sich darauf, dass sich Putin in letzter Zeit bemerkenswert intensiv mit „Verjüngungsmöglichkeiten“ beschäftigte, auch im Gespräch mit dem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping.
Putin sei mittlerweile sein eigener Gefangener, argumentiert Pastuchow: „Weil er weiß, dass mit seinem Abgang JEDER Nachfolger diesen Krieg beenden wird. Das heißt, er hat gar keine Nachfolger und kann auch keine haben. Das ist eine schreckliche Sackgasse für das Land, für den Staatsapparat und für Putin persönlich.“
„Keine Ziele, keine Willen, keine Präferenzen“
Für die in Amsterdam erscheinende „Moscow Times“ äußerte Publizist Sergei Schelin die Erwartung (externer Link), der Krieg werde mindestens bis weit ins nächste Jahr geführt. Die „vermeintliche“ russische Elite habe keine Ziele, keinen Willen, keine eigenen Präferenzen. „Es gibt derzeit niemanden und nichts, was Putin von außen unter Druck setzen könnte. Militärische und wirtschaftliche Schwierigkeiten sind offensichtlich, aber sie berühren ihn nicht im Geringsten, und er kann sie lange Zeit ignorieren.“
In der US-Zeitschrift „The Atlantic“ analysiert Publizist Andrew Ryvkin (externer Link): „Putin zu unterschätzen ist gefährlich, doch ihm schwarze Magie zuzuschreiben, lässt den russischen Führer in westlichen Köpfen mächtiger erscheinen, als er in Wirklichkeit ist. Würden die Amerikaner Putin nüchterner betrachten, sähen sie in ihm einen Diktator, der alles auf eine gescheiterte Invasion, den Verlust seines Einflussbereichs und eine rapide abkühlende Wirtschaft setzt. Eine realistische Sicht auf seine Lage würde Putin seines größten Machtinstruments berauben: der Annahme, er sei unbesiegbar.“