Die Emmys sind für das Fernsehen und den Streamingbereich das, was die Oscars für das Kino sind – und bei der 77. Emmy-Verleihung in Los Angeles haben die britische Miniserie „Adolescence“ und die Hollywood-Satire „The Studio“ die meisten Auszeichnungen abgeräumt
Eine Hollywood-Satire als großer Gewinner
„The Studio“ (AppleTV+) ist mit 13 Preisen der ganz große Gewinner der diesjährigen Emmy-Verleihung und stellte dabei sogar einen Rekord auf: Noch nie hat eine Comedyserie in einem einzigen Jahr mehr Preise abgeräumt. Die stargespickte Serie erzählt vom neuen Chef eines Filmproduktionsstudios, der verzweifelt den Spagat zwischen Kunst und Kommerz schaffen will. Hauptdarsteller, Co-Autor und Co-Regisseur Seth Rogen gewann in diesen Kategorien ebenfalls den begehrten TV-Preis.
Ein 15-Jähriger als Emmy-Preisträger
Die zweitgrößte Zahl an Auszeichnungen gewann mit sechs Emmys die vierteilige Serie „Adolescence“ (Netflix). Das Jugendgewaltdrama, das auch in Deutschland bereits für Diskussionen sorgte, wurde als beste Miniserie dekoriert und erzählt vom Mord an einer Schülerin durch einen anderen Teenager. Jungdarsteller Owen Cooper gewann für seine Darstellung des Täters den Preis als bester Nebendarsteller in einer Miniserie.
Der 15-Jährige ist damit laut der Television Academy der jüngste männliche Schauspieler, der je einen Emmy-Schauspielpreis bekam. Cooper sorgte mit seinen Dankesworten für die emotionalsten Momente der Preisverleihung. „Vor drei Jahren war ich ein Nichts, und jetzt bin ich hier“, sagte er im Peacock Theater in Los Angeles, es sei „einfach so surreal“, sein Preis beweise, „dass man alles im Leben erreichen kann, wenn man zuhört, sich konzentriert und aus seiner Komfortzone heraustritt“.
Comeback für „Emergency Room“-Veteran Noah Wyle
Eine große Überraschung gelang der Krankenhaus-Serie „The Pitt“, die in Deutschland noch ohne Sendeplatz ist. Die in Echtzeit erzählte Reihe setzte sich in der Königskategorie beste Dramaserie gegen die favorisierte Büro-Dystopie „Severance“ (AppleTV+) und die beliebte Luxusurlaub-Satire „The White Lotus“ (Sky Atlantic) durch. Sie kam auf insgesamt fünf Auszeichnungen.
Hauptdarsteller Noah Wyle gelang zudem das größte Comeback des Abends. Er war zwischen 1995 und 1999 fünfmal in Folge erfolglos als John Carter mit „Emergency Room“ für einen Emmy nominiert worden und konnte nun in der Hauptrolle endlich die Trophäe mit nach Hause nehmen.
Politische Kommentare sorgen für Gesprächsstoff
Im Vorfeld hatten die Veranstalter eigentlich versprochen, die Tagespolitik aus der Verleihungs-Zeremonie herauszuhalten. Ganz gelang das nicht: Schauspielerin Hannah Einbinder, die für „Hacks“ nach drei erfolglosen Nominierungen erstmals den Preis als beste Nebendarstellerin in einer Comedy gewann, nutzte ihre Rede, um die US-Einwanderungspolizei ICE mit Beschimpfungen zu bedenken und „Freiheit für Palästina“ zu fordern. Die Reichweite, die sie damit erzielte, blieb begrenzt, im US-Fernsehen wurde zumindest die ICE-Beschimpfung ausgeblendet.
Besonders laut war der Applaus, als „The Late Show“ von Moderator Stephen Colbert ausgezeichnet wurde. Vor zwei Monaten war vom Sender CBS das Ende der Late-Night-Sendung verkündet worden. Das Aus war umstritten, weil Colbert als Kritiker von Präsident Trump gilt und viele Branchenkenner vermuteten, dass CBS aus Rücksicht auf Trump gehandelt habe.
„Manchmal weiß man erst wirklich, wie sehr man etwas geliebt hat, wenn man das Gefühl hat, dass man es verlieren könnte“, sagte Colbert bei Entgegennahme des Preises und ließ offen, ob er damit seine eigene Sendung oder den Zustand der Demokratie in den USA meinte. Er ergänzte: „Ich habe mein Land niemals verzweifelter geliebt. Gott segne Amerika. Bleibt stark, seid mutig.“
Missglückte Spenden-Aktion irritiert
Ansonsten fiel angesichts der üblichen Danksagungen eher auf, wie sehr Hollywood auf allzu regierungskritische Aussagen verzichtet. Schon die Verpflichtung des als unpolitisch geltenden Comedians Nate Bargatze als Moderator war ein Zeichen dafür. Der 46-Jährige eröffnete die Show mit einer verunglückten Idee: Er kündigte an, 100.000 Dollar an die Kinderhilfe des „Boys and Girls Club of America“ spenden zu wollen – sollte aber eine Dankesrede länger als 45 Sekunden dauern, werde er davon pro Sekunde 1.000 Dollar abziehen und für jede Sekunde, die eingespart wird, 1.000 Dollar mehr zahlen.
Die Produzenten blendeten bei vielen Reden den aktuellen Spendenstand ein und lenkten damit oft von den rührenden Momenten der Danksagungen ab. Am Ende stand der Spenden-Zähler gar im Minus. Schließlich verkündete Bargatze, dass er dennoch 250.000 Dollar spenden werde und der Sender weitere 100.000 Dollar beisteuere.
Mit Informationen von DPA, AFP und AP