Sieben Bücher, elf Filme, ein Theaterstück, diverse Games und hunderte Millionen Fans auf der ganzen Welt. J.K. Rowling hat mit Harry Potter einen Fantasiekosmos geschaffen, der ein zentraler popkultureller Referenzrahmen unserer Gegenwart ist. So hat über ein Drittel der Menschen in Deutschland mindestens einen Band der Harry Potter-Reihe gelesen. Das ergab eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov.
Eigentlich die besten Voraussetzungen, um J.K. Rowlings 60. Geburtstag ordentlich zu feiern, wären da nicht die transfeindlichen Äußerungen der Autorin. Dass die Schöpferin von Harry Potter etwa Transfrauen nicht als Frauen anerkennt [externer Link], sondern immer wieder behauptet, von diesen gingen Gefahren in Schutzräumen für Frauen aus, dafür musste die Autorin nicht nur sachliche Kritik einstecken, sondern in sozialen Medien auch Beleidigungen und Gewaltdrohungen über sich ergehen lassen.
Viele sehen in der Community Rowlings Äußerungen kritisch
Ob solche Einlassungen Auswirkungen auf die Fan-Community von Harry Potter hat, schaut sich Christine Lötscher an. Sie ist Professorin für Populäre Literaturen und Medien an der Uni in Zürich. Das Band zwischen Rowling und der Community sei zwar nicht zerschnitten, aber die Verbindung sei „sehr ambivalent geworden“, sagt Lötscher im Interview mit dem BR. Auf TikTok würden Rowlings Äußerungen zu Transfrauen durchaus hinterfragt. Nach dem Motto: „Ich habe mich entdeckt als Jugendliche in meiner ganzen Vielfältigkeit, die ich als Person haben kann. Und dann kommt Rowling mit diesen Kommentaren.“
In den Communities auf TikTok, Instagram oder auf Fan-Fiction-Plattformen werde insbesondere kritisch gesehen, „dass Rowling für andere Leute entscheidet, was eine Frau bzw. ein Mann ist“. Und dies eben nicht den Personen überlasse, „die selber betroffen sind und die selber damit umgehen müssen, dass ihnen ein Geschlecht zugeschrieben wurde, mit dem sie nicht leben können“.
Anknüpfungspunkte für weitere Erzählstränge
Bei den Fans, die J.K. Rowling kritisch sehen, gebe es zwei Lager, sagt Lötscher. Die einen, die sich dann aus dem Harry Potter-Kosmos zurückziehen und nichts mehr damit zu tun haben wollen. Und jene die sozusagen das Heft des Handelns in die eigene Hand nehmen. Die sagen: „Ich schreibe Fanfiction, ich lese Fanfiction, aber ich streame keine Harry-Potter-Filme, ich schaue mir die neue Serie nicht an und ich kaufe nichts – ich kaufe keine Bücher mehr.“
Einig seien sich die meisten Fans, „dass die Diversität in den Potter-Büchern nicht sehr ausgeprägt ist“. Und so böten die von Fans weitererzählten Geschichten eine gute Möglichkeit, der Harry Potter-Welt neue Farbtöne hinzuzufügen. Denn trotz der starken Aufteilung in gut und böse, seien im Text auch viele „moralisch graue Figuren“ angelegt, die Anknüpfungspunkte für weitere Erzählstränge böten, sagt Christine Lötscher. Und das passiere dann eben in Fanficition: „Die Malfoys werden dann nicht freundlicher unbedingt, aber sie werden interessanter, ambivalenter.“
Mit Informationen von dpa