„Last Easter I gave you my egg …“ – der Musikkomiker Dr. Pop bringt auf YouTube eine absurde, aber durchaus ernst gemeinte Idee ins Spiel: Was wäre, wenn George Michaels „Last Christmas“ eigentlich ein Osterlied gewesen wäre? War es sogar, sagt Dr. Pop. Zumindest in der Ursprungsversion. Nur wollte die Plattenfirma lieber ein Weihnachtslied. Und so wurde aus „Last Easter“ eben der Evergreen mit Schneeflocken und Herzschmerz.
Ostern tut sich musikalisch schwer
Dr. Pop liefert direkt mit, wie das alternative Feiertagslied hätte klingen können – mit Rhythmus-Ei statt Schellkranz. So einfach ist das Rezept aber nicht. Denn während bei Weihnachten ein paar Glöckchen und ein bisschen Kunstschnee sofort festliche Stimmung erzeugen, tut sich Ostern musikalisch schwerer.
„Jetzt kommt die Osterzeit, alle Hasen machen sich bereit“ – bei Kinderliedern wie denen von Rolf Zuckowski ist klar, worum es geht. Doch wie klingt Ostern im Popformat? Tobias Lübbers, Referent für christliche Popularmusik im Erzbistum Bamberg, hat ein feines Ohr für symbolische Zwischentöne. Für ihn steckt im Song „Still Rolling Stones“ von Lauren Daigle viel Osterpotenzial: Der Stein vor dem Grab, der ins Rollen gerät, als Zeichen für den Neubeginn.
Songs mit Alltagsmetaphern kommen oft besser an
„Die Sache Jesu geht weiter“, sagt Lübbers – auch wenn der Song Jesus nie beim Namen nennt. Und genau das sei ein Schlüssel: Songs, die Ostern nicht frontal erklären, sondern mit Alltagsmetaphern arbeiten, kämen beim Publikum oft besser an. Ein Beispiel dafür sei das moderne Kirchenlied „Ewig und drei Tage“, das wie ein Liebeslied klingt, aber die Grabesruhe und Auferstehung aufgreift – ganz ohne fromme Floskeln.
Doch selbst wenn Musik mit österlicher Tiefe gelingt, wird sie selten als solche erkannt. Weihnachten hat einfach einen Vorsprung – nicht zuletzt durch Dauerschleifen in Kaufhäusern und auf Märkten. Und Ostern?
Organisten an Ostern: „Alle Register rein. Und jetzt: gib ihm!“
Bei Organisten sei die Sache klar, scherzt Christian Seidler, Kantor an der Erlöserkirche in München: „An der Orgel gibt es einen Tutti-Knopf. Alle Register rein. Und jetzt: gib ihm!“. In der Kirchenmusik ist die Klanggewalt zu Ostern fest verankert. Ob archaisch, wie bei „Christ ist erstanden“, oder heiter – hier bekommt Ostern einen musikalischen Rahmen, der seinem Anspruch gerecht wird.
Und dieser Anspruch ist hoch, wie Seidler betont: „Dass Ostern viel will, kann man schon so sagen. Es geht um ein ausgesprochen wichtiges Ereignis, die Erlösung der Menschheit.“ Ostern stellt eine große Anforderung, der es gilt, medial gerecht zu werden, dieses Ereignis in irgendein Medium zu gießen, dass es auch zu tragen vermag.“
Vielleicht reicht es, wenn ein Lied den Stein ins Rollen bringt
Vielleicht ist genau dies das Problem: Während Weihnachten ein niedliches Krippenspiel mit Glitzer ist, hat Ostern mit Leid, Tod und Auferstehung ein ganz anderes Gewicht. Es verlangt Tiefe, musikalisch und emotional.
Und doch, sagt Lübbers, ist ohne Ostern auch Weihnachten nur die halbe Geschichte: „Was würden wir die Geburt eines prophetischen messianischen Juden in Israel feiern, wenn nicht durch die Auferstehung seine Gottessohnschaft belegt und bevollmächtigt worden wäre?“
Vielleicht muss es also nicht der nächste Feiertagshit mit Ohrwurm-Refrain sein. Vielleicht reicht es schon, wenn ein Lied den Stein ins Rollen bringt.