đĄ Peter Jungblut beobachtet fĂŒr BR24 Kultur die Debatten hinter den Meldungen rund um den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Dazu verfolgt er russische Medien, Telegram-KanĂ€le und Social Media, und wertet die EinschĂ€tzungen / Stimmen dort dazu feuilletonistisch aus und ordnet ein. So zeigen wir, wie Millionen Menschen innerhalb der russischsprachigen Welt ĂŒber die Ereignisse diskutieren.
Lobte Putin deshalb kĂŒrzlich Donald Trump demonstrativ als âganzen Kerlâ und âmutigen Mannâ? So jedenfalls spekulieren russische Kommentatoren, nachdem die âWashington Postâ erfahren haben will, dass beide Politiker nach dem Wahlsieg des Republikaners bereits miteinander telefonierten. Allerdings bleibt der kremlnahe Propagandist Sergei Markow misstrauisch (externer Link).
Zwar sei das US-Blatt eine renommierte Zeitung, aber nicht alles, was dort zu lesen sei, entspreche der Wahrheit. âHm, fĂŒr mich klingt das angebliche GesprĂ€ch zu gutâ, so Markow. Der Blogger mit 75.000 Fans kann sich nicht so recht vorstellen, dass Trump gesagt haben soll, âfast jederâ in der Welt sei der Meinung, die Ukraine mĂŒsse Territorien an Russland abtreten. Dagegen schrieb Politologe Georgi Bovt, die Informationen ĂŒber ein angebliches Telefonat seien nicht per se âunglaubwĂŒrdigâ, sondern durchaus plausibel.
âGood Cop, Bad Copâ
Der kremlkritische Polit-Blogger Andrei Nikulin sprach von einer âSensationâ und fĂŒhlte sich unter Anspielung an das âGeheimgesprĂ€châ ohne Beteiligung von Diplomaten an die rauen Umgangsformen in St. Petersburger Hinterhöfen erinnert (externer Link), wo Putin bekanntlich frĂŒhe Gewalterfahrungen machte: âDas sind wechselseitige Versuche, Druck auf die Seite auszuĂŒben, die von einem abhĂ€ngig ist, die schwach ist und die man kleinkriegen kann. Good Cop, Bad Cop. Washington betrĂŒgt Kiew, Moskau haut Washington ĂŒbers Ohr. Alles ist wie in einer Jugendbande, alles wie im St. Petersburg der 90er Jahre. Es stellt sich heraus, dass das auch international funktioniert. Unser Know-how und unser Beitrag zum globalen Fortschritt.â
âWie mag das nur weitergehen?â
So Ă€hnlich sieht es auch der kremlkritische Polit-Blogger Anatoli Nesmijan, der allerdings empfiehlt, das angebliche Telefonat zu ignorieren, weil es ohnehin âzweifelhaftâ sei. Putins andauernde Klage, er sei vom Westen âgetĂ€uschtâ worden, sei ĂŒberdies nur verstĂ€ndlich, weil er von den rabiaten Umgangsformen und dem âEhrenkodexâ der SchlĂ€gertrupps in Hinterhöfen geprĂ€gt sei. Das hĂ€tten Trumps Leute offenbar begriffen: âAlle Garantien, deren Bruch Putin bejammert, wurden nicht etwa öffentlich, sondern insgeheim gegeben. Wenn die russische FĂŒhrung die Verhandlungs- und Vereinbarungsmethoden von Jugendbanden bevorzugt, soll es so sein. Keine Dokumente oder Papiere, alles nur mĂŒndlich und mit dem Schwur âIch gelobe esâ. Aber in der Politik gibt es kein solches VerstĂ€ndnis von Banditenehre, es dominiert stattdessen der pure Pragmatismus. Daher werden die BetrĂŒger betrogen.â
So gesehen sei es fĂŒr den Kreml zwar zunĂ€chst âbequemâ, alle Probleme direkt und âohne AuĂenstehendeâ mit Trump zu bereden, aber es sei absehbar, dass Putin ĂŒber kurz oder lang abermals enttĂ€uscht sein werde.
Der nationalistische MilitĂ€rblogger Boris Roschin (892.000 Fans) bezeichnete Trump als âDrecksackâ und verwies darauf, dass Putin eine Eskalation des Konflikts gar nicht nötig habe: âOhne Eskalation ist die Ukraine bereits jetzt auf der Verliererseite, daher sind es sie und ihre Geldgeber, die eine Eskalation benötigen, um die negativen Entwicklungen auf dem Schlachtfeld umzukehren. Appelle des US-PrĂ€sidenten an den âweltweit isolierten Putinâ. Wie mag das nur weiter gehen?â
âVielleicht ist es passiert, vielleicht nichtâ
Blogger Dmitri Steschin (152.000 Follower) schmĂ€hte Trump als Menschen mit dem Erinnerungsvermögen einer Pkw-Dashcam, die ihre Aufnahmen alle fĂŒnf Minuten ĂŒberschreibe. Russische Leser spotteten (externer Link), Putin habe auf den Anruf aus Washington wohl so sehnsĂŒchtig gewartet wie ein âMĂ€dchen im heiratsfĂ€higen Alter auf einen Antragâ. Ein weiterer Kommentator ĂŒbte satirische Medienschelte: âWenn sie das auf Fox-News gemeldet hĂ€tten, wĂ€re das in Ordnung, aber auch diese Info kommt ĂŒber die den Demokraten nahestehende Washington Post. Das sind Fake-News-Medien, wie Trump selbst immer sagt. Vielleicht ist es passiert, vielleicht auch nicht.â
In der kommunistischen âPrawdaâ wurde ausdrĂŒcklich vor Trumps Avancen gewarnt: âIch möchte unser âhingerissenesâ Volk fragen: Glaubt ihr wirklich, dass die Wahlkampfrhetorik des âgutenâ Donald Trump irgendetwas mit den aktuellen RealitĂ€ten auf der Welt zu tun hat? Die RealitĂ€t ist, dass die Vereinigten Staaten niemals eine Gelegenheit auslassen werden, die Russen zu bekĂ€mpfen! Die Tatsache, dass Trump ein GeschĂ€ftsmann ist, macht ihn keineswegs zu einem Fan von Putins Russlandâ.â
Ein St. Petersburger Unternehmen plant gleichwohl, einen âTrumpowkaâ-Wodka auf den Markt zu bringen, die Eintragung ins Markenregister wurde bereits beantragt.