Wenn Schauspiellegende Mario Adorf über Alterserscheinungen spricht, klingt das so klug und lebensbejahend, wie man es bei einem wie ihm eigentlich auch erwartet: „Bei einem Mann verlangt man, erwartet man die Falten und bei einer Frau merkwürdigerweise stören sie. Mich nicht. Ich finde Falten immer einen Beweis, dass das Leben stattgefunden hat.“
„Ich scheiss‘ dich sowas von zu mit meinem Geld“
95 Jahre ist Mario Adorf nun alt, der einstige Filmbösewicht vom Dienst, der sich später auf die Rollen der Familien, Patriarchen und Unternehmerpersönlichkeiten verlegte. Er war der große Bellheim, der Schattenmann und Bau-Senator Walter Wegener in der Affäre Semmeling, aber gegrüßt wird Adorf nach eigenen Worten heute noch mit dem Zitat aus „Kir Royal“, einer sechsteiligen Fernsehserie von Helmut Dietl aus dem Jahr 1986. Der proletenhafte Spruch des Klebstofffabrikanten Haferloher aus Kleinweilersdorfim im rheinländischen Dialekt, die wohl fast jedem geläufig sind: „Ich schieb et dir hinten und vorne rein. Ich scheiss‘ dich sowas von zu mit meinem Geld, dass du keine ruhige Minute mehr hast. Ohne meine Kohle hast du doch ja keine Chance. Begreifst du das denn nicht, mein Junge?“
Er habe immer noch eine Beziehung zum Rheinland und eben auch zu dieser Gegend, zur Eifel, sagt er: „Das habe ich auch nie verleugnet. Und ich habe auch gerade den Dialekt, der so im Allgemeinen dem Kölschen Dialekt gleicht, immer sehr gerne benutzt und finde, dass er doch eine sehr hilfreiche Sache ist. Dadurch wird man glaubhaft, dadurch bleibt man auch erdverbunden.“
In der Fernsehserie „Kir Royal“ spielte Adorf den Klebstofffabrikanten Haferloher aus Kleinweilersdorf, der endlich Spaß haben will in der Münchner Schickeria und den Weg dorthin mit Bargeld pflastert. Begonnen hatte die Karriere von Adorf Mitte der 50er Jahre, als Regisseur Robert Siodmak für seinen Film „Nachts, wenn der Teufel kam“ die Rolle eines Geistesgestörten zu besetzen hatte, der von der Nazi-Propaganda zum Massenmörder abgestempelt wird.
Adorf: „Ich merkte, dass ich immer mehr Deutscher wurde“
Fortan war Adorf auf das böse Gesicht abonniert, in Karl-May-Filmen, aber auch im italienischen Kino, wo er Mussolini spielte. Fast wäre Italien dauerhaft seine Heimat geworden. Zehn Jahre arbeitete er vorwiegend dort, bis 1975. Sein Vater war Italiener, hatte sich um die im Rheinland lebende Familie allerdings kaum gekümmert. „Meine Mutter war die bestimmende Figur“, erzählt er. „Dass der Vater nicht da war, hat mich als Junge, als Kind, eher beruhigt, weil es niemanden gab, der mich verprügelte, das war damals ja noch viel üblich.“
Trotz seines südländischen Aussehens und seiner Popularität beim italienischen Publikum wollten viele der wichtigsten Regisseure dort Mario Adorf keine Hauptrollen anvertrauen, was ihn selbst an seiner Identität zweifeln ließ. „Ich wollte Italiener werden in den ersten Jahren, bis ich merkte, dass all diese Vorlieben, die ich für Italien hatte, die Kunst, die Vergangenheit, das Wetter und das Essen (…) sehr deutsche Eigenschaften waren, die damals schon die Romantiker und die Klassiker nach Italien getrieben haben. Ich merkte eigentlich, dass ich immer weniger Italiener, sondern immer mehr Deutscher wurde.“
Sieht sich selbst nicht als Schauspieler, eher als Handwerker
Mario Adorf ist kein Schauspieler, der seine Rollen monatelang mit in den Alltag nimmt, er sieht sich als Handwerker, der auf Knopfdruck von einem Charakter zum nächsten wechseln kann – was er am Theater gelernt hat, wo er teilweise an einem Abend in zwei Stücken auftreten musste. Adorf sagt: „Ich habe an dieses Wort als Schauspieler nie so richtig geglaubt, dass man sich ‚identifiziert‘ mit einer Rolle. Ich bin doch eher brecht-geschult, der ja predigte, dass man sozusagen immer neben seiner Rolle stehen soll, dass man die Kontrolle hat und genau weiß, was man tut.“
Große Schauspieler sind fast immer Kömodianten, haben ein ironisches Verhältnis zu sich selbst und zu ihren Rollen, auch zu den ernsten. Mario Adorf bestritt damit eine beeindruckend lange und erfolgreiche Karriere.