Vor knapp zweieinhalb Jahren stellten die Erben der jüdischen Münchner Kunsthändler Lion einen Antrag auf Restitution. Unter anderem fordern sie ein Gemälde von Friedrich von Amerling zurück, das 1935 in die staatliche Sammlung gelangt war. Nun wartet die Erbengemeinschaft auf eine Entscheidung. Die Hoffnung, dass die große öffentliche Aufmerksamkeit aus dem Frühjahr und die folgenden Ankündigungen seitens des Kunstministers mehr Tempo in die Sache bringen würden, hat sich bisher nicht erfüllt. Dabei ist Zeit mit der wichtigste Faktor, sagt der 76-jährige Miguel Meyer: „Meine Schwester, die ist jetzt über 80. Und ich bin auch nicht mehr der Jüngste“
Akribische Tiefenrecherche – oder nur punktuelle Verbesserungen?
Anton Biebl, Interimschef der Staatgemäldesammlungen, verweist in einem aktuellen Statement ganz allgemein darauf, dass Restitutionsfragen im Einzelfall eben ganz genauer Klärung bedürften. Biebl betont den aus seiner Sicht wichtigen „Vierklang aus Tiefenrecherche, juristischer Bewertung, Erbenermittlung und Prüfung der genauen Erbenstellung“.
Allein die Tiefenrecherche könne nach internationalen Standards bis zu 18 Monate dauern. Vor diesem Hintergrund fände er schade, „dass man die Provenienzforschung bei den Staatsgemäldesammlungen so durch den Kakao zieht.“ Die Kolleginnen hätten seit 2008 knapp 6.000 Kunstwerke überprüft. Es gebe wenige Museen, die eine derart umfangreiche Provenienzforschung betrieben hätten. Da ließe sich natürlich fragen – warum eigentlich erst seit 2008? Genau das bemängelt auch Sanne Kurz, die sich bei den Grünen mit dem Thema NS-Raubkunst befasst und grundsätzlich eine andere, eher ethisch als juristisch basierte Haltung bei dem Thema fordert: „Wir wissen auch, 80 Jahre nach Kriegsende ist nicht mehr alles aufklärbar, aber eines wissen wir ganz genau: uns gehören die Sachen auf jeden Fall nicht!“
Im Zwischenbericht zur Provenienzforschung sieht sie bisher nur punktuelle Verbesserungen: „In den konkreten Fällen können wir keine Bewegung feststellen. Da sind auch die betroffenen Familien in Kontakt mit dem Freistaat, auch mit uns. Und die sind alle sehr, sehr enttäuscht, auch über die Unterlagen, die sie bekommen haben. Allgemein muss man sagen, dass natürlich aufgrund des Erdbebens, was da losgetreten wurde, doch einiges ins Rutschen geriet und sehr, sehr viel nachgearbeitet wurde.“
Zunächst mal: weiter warten
Seit Februar, als die Süddeutsche Zeitung das Thema auf die Tagesordnung gebracht hatte, wurden 223 sehr wahrscheinlich belastete Werke von den Staatsgemäldesammlungen in der internationalen Raubkunstdatenbank „Lost Art“ neu eingestellt. Die Provenienzforschung aller staatlichen bayerischen Museen wurde von den einzelnen Häusern abgezogen und zentralisiert. Dafür wird es auch fünf neue Stellen geben, drei davon sind allerdings auf zwei Jahre befristet.
Seit Mai untersucht die renommierte Provenienzforscherin Maike Hopp als externe Expertin die Vorgänge und Abläufe in den Staatsgemäldesammlungen, ihre Ergebnisse werden nach der Sommerpause erwartet. Die Erben um Miguel Meyer warten unterdessen auf die juristische Bewertung des aktuellen Forschungsdossiers zum Fall Amerling. Dann heißt es entweder: Sie bekommend das Gemälde zurück, oder der Freistaat schlägt es für eine Schlichtung vor einem Schiedsgericht vor. Das hieße dann: Weiter warten, denn das Schiedsgericht gibt es aktuell noch gar nicht. Es soll aber noch in diesem Jahr seine Arbeit aufnehmen, so die Hoffnung im bayerischen Kunstministerium.