Mit dem Regierungswechsel kündigt sich eine neue Ära der Verteidigungspolitik an. Milliardeninvestitionen stehen im Raum. Doch während über Panzer und U-Boote diskutiert wird, warnen Fachleute: Ohne digitale Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) ist moderne Verteidigung nicht mehr denkbar.
Die Tech-Investorin Jeannette zu Fürstenberg hat gemeinsam mit anderen Experten einen offenen Brief veröffentlicht, der ein Umdenken fordert – weg von klassischer Rüstung, hin zu Deep Tech. „Gerade jetzt müssen wir unsere strategische Handlungsfähigkeit sichern – auch technologisch“, heißt es in dem Schreiben.
Das „SPARTA“-Projekt – Hightech für Europas Sicherheit
Fürstenberg schlägt ein europäisches „SPARTA“-Projekt vor: eine Allianz für strategische Hochtechnologie, mit dem Ziel, Resilienz, Innovation und digitale Souveränität zu stärken. „Es reicht nicht, Technologie zu haben – sie muss kontrollierbar und in europäischen Händen sein“, sagt sie in der aktuellen Folge von „Der KI-Podcast„. Die aktuelle Lage mache deutlich, wie verletzlich Europa sei – besonders im digitalen Raum.
Ihr geht es vor allem um die Dringlichkeit: „Ich glaube schon, dass die letzten Wochen eigentlich die entscheidenden waren – es ist mehr passiert als in den letzten vier Dekaden.“ Auslöser war unter anderem die aufsehenerregende Rede des US-Senators JD Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz, die vielen Europäern die außenpolitische Unberechenbarkeit der USA erneut vor Augen führte. Europa habe kein Fähigkeits-, sondern ein Mindset-Problem, das es nun zu überwinden gelte.
Neue Unternehmen, neue Denkweise – aber alte Hürden
Ein Beispiel für den Wandel ist das Münchner Unternehmen „Helsing“. Es gehört zu den ersten europäischen KI-Start-ups mit einer Milliardenbewertung und entwickelt KI-gesteuerte Systeme für den militärischen Einsatz. Gemeinsam mit dem französischen KI-Unternehmen „Mistral“ arbeitet Helsing an der Verzahnung von Drohnentechnologie und Künstlicher Intelligenz.
Solche Firmen stehen für eine neue Verteidigungsindustrie: innovationsgetrieben, schnell, softwarebasiert. Doch sie stoßen in Europa auf veraltete Prozesse und fehlenden Zugang zu staatlichen Auftraggebern.
Europas Talente – und was sie brauchen
Dabei fehlt es nicht an Know-how: „Ein Großteil der globalen KI-Forscher sind Europäer. Die Top 10 Prozent aller Paper sind zu 70 Prozent von Europäern geschrieben“, sagt Fürstenberg. Lange seien diese Talente in die USA abgewandert – dem Kapital hinterher. Doch das ändert sich gerade: „Viele von denen kommen zurück nach Europa, weil sie hier auf europäische Souveränität bauen. Und einfach hier eine Riesenchance sehen.“
Die Investorin ist überzeugt: „Das Geld folgt dem Talent. Wenn wir dem Talent jetzt noch alle Barrieren wegräumen, dann können wir richtig Gas geben.“
Start-ups und Militär: Zwei Systeme, ein Ziel
Dass Start-ups und staatliche Verteidigung schwer zusammenfinden, weiß auch Jonatan H. Luther-Bergquist vom Wagniskapitalfonds „Inflection“. „Ein Defense-Tech-Start-up zu machen, ist doppelt oder dreimal so schwierig wie ein normales Deep-Tech-Start-up, weil man mit den Kunden sehr schlecht sprechen kann“, sagt er. Als Mitgründer des „European Defense Tech Hub“ versucht er, Brücken zu bauen – etwa durch Hackathons, bei denen in 48 Stunden Prototypen entstehen.
„Wir wissen, wer die sind – überall in Europa haben wir Kontakte mit den Verteidigungsministerien“, sagt Bergquist. Es sei ein spannender Moment, „wo Branchen aufeinandertreffen, die eigentlich vorher nichts miteinander zu tun hatten – und auch unterschiedliche Sprachen sprechen.“
Sicherheit braucht digitale Souveränität
Der Rückstand Europas betrifft nicht nur Waffen, sondern auch die digitale Infrastruktur. Ein Beispiel: Kampfjets aus den USA, deren Software im Zweifel aus der Ferne abgeschaltet werden könnte. Das will man künftig verhindern – durch eigene, kontrollierbare Systeme.
„Technologische Handlungsfähigkeit ist heute gleichbedeutend mit Sicherheit“, so Fürstenberg. Ihre Forderung: Verteidigung muss künftig die digitale Realität mitdenken.
Verteidigung neu denken
Die Lage ist ernst – doch nicht hoffnungslos. Europa verfügt über ein wachsendes Ökosystem an Tech-Innovationen. „Es geht nicht nur um die nächste Drohne – sondern darum, ob Europa in Zukunft selbstbestimmt handeln kann“, so Fürstenberg. Die Richtung ist klar: weniger kalter Stahl, mehr kluge Systeme.