Deutschlands Rentensystem ächzt unter dem demografischen Wandel: Die Babyboomer gehen in Rente, die Beitragszahler werden weniger. Das aktuelle Rentenpaket 2025 soll das System stabilisieren – doch eine Kommission der Bundesregierung soll nach der Sommerpause erst Reform-Vorschläge erarbeiten.
Der Freiburger Ökonom Bernd Raffelhüschen gilt als einer der schärfsten Kritiker der deutschen Rentenpolitik. Der Professor forscht am Forschungszentrum Generationenverträge und berät seit Jahren die Politik in Rentenfragen. Im BR24-Interview für „Possoch klärt“ sagt er, der deutsche Sozialstaat sei in der jetzigen Form nicht mehr zu retten.
BR24: Herr Raffelhüschen, kollabiert unser Sozialstaat?
Bernd Raffelhüschen: Ein Kollaps ist ja etwas Abruptes, etwas sehr Schnelles, was von heute auf morgen passiert und dann ist man tot. Tatsache ist, dass wir da tatsächlich eher so eine Art sukzessiven Übergang in eine kollabierende Situation bekommen. Also es passiert nicht auf Schlag, es passiert Stück für Stück.
BR24: Woran liegt’s?
Raffelhüschen: Die größten sozialpolitischen Fehler der letzten Jahrzehnte waren im Grunde genommen die Einführung der Pflegeversicherung, das hätten wir gar nicht erst tun dürfen. Wir haben große Fehler gemacht bei der Rentenversicherung, indem wir nicht die Lebensarbeitszeit an die Lebenserwartung angekoppelt haben. Wie das in Skandinavien der Fall war. Wir haben die Chance verpasst, Kapitaldeckung zu machen, wie wir das in vielen Ländern der Welt richtigerweise getan haben.
Beitragsdruck nimmt zu
BR24: Wohin läuft das System, wenn wir so weitermachen?
Raffelhüschen: Wir haben den Druck von den Beiträgen her. Wir sind jetzt bei weit über 40 Prozent schon. Wir werden bei weit über 50 Prozent im Laufe der 30er Jahre ankommen. Und wenn man dann den entsprechenden durchschnittlichen Steuerzahlbetrag – und der beträgt in etwa ein Drittel – noch darauf rechnet, dann bleibt einem ja nur noch zehn, 15 Prozent seines Einkommens übrig. Das ist absurd zu glauben, dass das zukünftige Beitrags- und Steuerzahler machen.