Es klingt alles traumhaft: Von der Dachterrasse aus ein herrlicher Blick in die Alpen, große Gemeinschaftsräume mit Café, sowie eine Werkstatt, wo Fahrräder, Bohrmaschinen oder Rasenmäher für alle zur Verfügung stehen. Und das alles zu elf Euro pro Quadratmeter, unkündbare Miete. Mitten in München? In der Tat.
Das Genossenschaftshaus, das gerade im Kreativquartier unweit vom Olympiaturm entsteht, nennt sich „Das große kleine Haus“. Klein, weil es „nur“ 29 barrierefreie Wohneinheiten in Holzständerbauweise sind. Groß, weil hier zukunftsweisendes Wohnen entstehen soll.
Bayern vereinfacht als erstes Bundesland die Baunormen
Es ist eines von 19 Projekten, die der Freistaat Bayern ins Leben gerufen hat, um herauszufinden: Wie können wir einfacher und damit schneller bauen, um mehr Wohnraum zu schaffen? Es geht immerhin um die Lösung einer der drängendsten sozialen Fragen in Deutschland. Derzeit lautet das Zauberwort „Gebäudetyp E“ – E wie einfach. Weniger Normen und Richtlinien für geringere Baukosten und schnellere Fertigstellung. Bayern hat als erstes Bundesland die Regeln vereinfacht.
Pilotprojekt Gebäudetyp E
Vor sieben Jahren erfolgte der Startschuss mit dem Ziel, das große kleine Haus zu bauen, in dem kreativ gearbeitet und kooperativ gewohnt wird. Es ist das erste Haus vom Gebäudetyp E in Deutschland mit vereinfachten Normen.
Rainer Hofmann ist der Architekt und gleichzeitig im Vorstand der Genossenschaft. Mit Zustimmung des Bauministeriums und der Lokalbaukommission können er und sein Team in dem Haus die DIN-Norm 4109 unterschreiten, sprich: den Schallschutz. „Damit können wir den Holzbau einfacher gestalten, indem wir weniger Materialien verbauen“, sagt Hofmann. Beim Schallschutz merke man das nicht, versichert Hofmann. Sehr wohl aber bei den Kosten.
Das neunstöckige Holzgebäude wird von der Holzbaufirma vorgefertigt. Das spart Zeit und Geld auf der Baustelle. Auch bei den Heizungsnormen wurde abgespeckt. Daher können weniger und kleinere Heizkörper verbaut werden, ohne dass die Bewohner frieren müssen. Gespart wird auch an den Leitungen und Heizungssträngen.
Weniger Stellplätze für Autos
Außerdem gibt es nur 18 Stellplätze für 29 Wohneinheiten. Dazu kommen 40 Prozent Gewerbeflächen, die von Künstlern sowie einem inklusiven Verein für Menschen mit Behinderung genutzt werden. Früher hätte man da eine Tiefgarage bauen müssen. „Jetzt wären dagegen auch null Parkplätze möglich gewesen“, versichert Hofmann. Käme das nach dem Pilotprojekt für alle Bauvorhaben, würde das vermutlich die Kosten drastisch reduzieren und mehr Bauvorhaben zum Durchbruch verhelfen.
Insgesamt geht es darum, überall ein bisschen zu sparen, was sich in der Summe auswirkt. So rechnet Hofmann mit einer Einsparung bei den Baukosten von zehn Prozent: „Bei gleichem Wohnstandard, wohlgemerkt. Wir bauen kein Billighaus, sondern ein gutes anständiges Haus und sind trotzdem deutlich günstiger.“
Bauleiter will Qualität trotz Kostenreduzierung
Das innere Treppenhaus besteht aus Beton, auch aus Kostengründen. Eine Holztreppe wäre zu teuer. Auch Bauleiter Martin Wißmann ist zufrieden mit dem Baufortschritt und den reduzierten Vorschriften: „Die Erleichterungen bringen auf jeden Fall etwas, weil wir insgesamt weniger Haustechnik verbauen müssen.“ Aber auch er betont, dass trotz Kostensenkung und Baubeschleunigung die Qualität gesichert bleibe. Bis Herbst 2026 soll das „große kleine Haus“ stehen. Und die ersten Bewohner können dann einziehen.
Natürlich gibt es auch Kritik an dem Gebäudetyp E. Die Befürchtung ist, dass beispielsweise Lärm- oder Brandschutz dermaßen reduziert werden könnten, dass die Bauherren am Ende doch draufzahlen, weil sie nachrüsten müssen.
Bleibt noch das große Thema Haftung. Im Pilotprojekt genießen Planer und Bauherren einen Schutz. „Bundesweit müssen sich jedoch auch hier die Regeln ändern, um weiter mehr Wohnraum zu schaffen“, sagt der Architekt. Insgesamt sieht Hofmann eine große Chance, wie so in Zukunft mehr Wohnraum für alle geschaffen werden kann.