Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland soll zum 1. Januar 2026 auf 13,90 Euro steigen – ein Jahr später dann auf 14,60 Euro. Das teilte die Mindestlohnkommission am Freitag in Berlin mit. Derzeit liegt die Lohnuntergrenze bei 12,82 Euro.
Was der Koalitionsvertrag wirklich vorsah
Die Kommission blieb damit deutlich unter der Zielmarke, die vor allem die SPD ausgegeben hatte. Die Sozialdemokraten hatten angekündigt, der Mindestlohn werde noch 2026 auf 15 Euro steigen. Diese Marke wird nun nicht einmal bis 2027 erreicht. Im Koalitionsvertrag von SPD und Union war davon die Rede, dass eine solche Höhe im Jahr 2026 „erreichbar“ sei.
Gesetzlich geregelt ist, dass die Kommission alle zwei Jahre einen Vorschlag zur Erhöhung des Mindestlohns vorlegt, den die Bundesregierung dann durch eine Rechtsverordnung verbindlich macht. Die Regierung kann dabei nicht eigenständig eine andere Höhe festsetzen.
Wie die Höhe des Mindestlohns festgelegt wird
Die Höhe der Lohnuntergrenze wird von unabhängigen Experten der Tarifpartner sowie von Wissenschaftlern ermittelt. Entscheidende Faktoren für die Lohnuntergrenze sind die zurückliegende Entwicklung der Tariflöhne in Deutschland, errechnet durch das Statistische Bundesamt. Zudem dient der mittlere Lohn als Ausgleichsgröße, denn als angemessener Mindestlohn gelten 60 Prozent des nationalen Medianlohns, also des statistisch errechneten mittleren Lohns. So soll vermieden werden, dass künftig noch mehr Menschen durch Armut gefährdet sind.
Die Kommissionsvorsitzende Christiane Schönefeld sagte, der einstimmig gefasste Beschluss sei ein Kompromiss. Er biete den Beschäftigten Schutz und sei für die Betriebe in der aktuell schwierigen wirtschaftlichen Situation tragbar. Schönefeld sprach von einer „tragfähigen Lösung“, die die Sozialpartner in der Kommission gefunden hätten. Die „sehr schwierigen Gespräche“ seien durch öffentliche Äußerungen zusätzlich erschwert worden.
Uneinigkeit, Druck und politische Einflussnahme
Der Verhandlungsführer des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Stefan Körzell, sagte, es seien „harte Verhandlungen“ gewesen. Der Verhandlungsführer der Arbeitgeber, Steffen Kampeter, kritisierte den großen Druck, der in den letzten Monaten von politischer Seite auf die Kommission ausgeübt worden sei. Die Kommissionsvorsitzende Schönefeld betonte: „Die Unabhängigkeit der Mindestlohnkommission ist Grundvoraussetzung für ihre erfolgreiche Arbeit. Versuche der politischen Einflussnahme sind damit nicht vereinbar.“
Über Wochen war man sich in dem Gremium aber uneins gewesen, wie aus Verhandlungskreisen verlautete. Wäre die unabhängige Mindestlohnkommission nicht zu einer Einigung gekommen, hätte der Gesetzgeber handeln können. Der Mindestlohn in Deutschland war 2015 unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eingeführt worden. Bei der Erhöhung auf 12 Euro im Oktober 2022 hatte ausnahmsweise der Gesetzgeber dem Gremium die Entscheidung per Gesetz aus der Hand genommen.
Viele sind Armutsgefahr ausgesetzt
Vergangenes Jahr waren laut offizieller Statistik 15,5 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet – rund 13,1 Millionen Menschen in Deutschland. Als armutsgefährdet gelten laut EU-Definition alle, die über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügen. 1.378 Euro im Monat nach Steuern und Sozialabgaben waren dies 2024 für eine alleinlebende Person in Deutschland. Die Arbeitgeber hatten allerdings vor gravierenden ökonomischen Folgen durch eine deutliche Mindestlohnerhöhung gewarnt. Deutschland droht 2025 das dritte Rezessionsjahr in Folge.
Mit Informationen von AFP, dpa, Reuters und epd.