Darum geht’s:
- Das Hauptziel hinter Klima-Desinformation ist es, Zweifel an wissenschaftlichen Erkenntnissen zu säen.
- Die Falschinformationen können angesichts einer bedrohlichen Realität beruhigend wirken – setzen aber Schein-Argumente ein, um zu täuschen.
- Die aktuelle Erderwärmung ist menschengemacht. Die Daten hinter dieser Erkenntnis sind vielfach überprüft und bestätigt – sogar von Zweiflern.
Die Erderwärmung ist global – und deren Leugnung ebenso. Anti-wissenschaftliche Kräfte haben zum Beispiel in den USA mit der Wiederwahl Donald Trumps eine neue Machtposition errungen. Die Trump-Administration stieg aus dem Pariser Klimaabkommen aus.
und erschwert mit Verordnungen die Bekämpfung des menschengemachten Klimawandels. Sie setzen diese Macht auch ein, um den Zugang zu Klimawandel-Fakten zu unterdrücken. Sie ließ den Begriff „climate change“ von Regierungswebseiten löschen und den Zugang zu mehreren Klima-Analyse-Tools entfernen, die für Forscher und die breite Öffentlichkeit gedacht waren.
Welche Strategie Klimawandelleugner in Deutschland verfolgen
Auch in Deutschland und Bayern sitzen Klimawandelleugner in den Parlamenten und arbeiten darauf hin, ihre Politik umzusetzen. Weltweit verbindet sie dabei eine Strategie: Unsicherheit und Zweifel erzeugen.
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Dieser #Faktenfuchs erklärt, wie das übergeordnete Ziel, die Strategie und Taktiken ineinander greifen.
Das Ziel: die öffentliche Meinung und politische Entscheidungen so zu beeinflussen, dass Maßnahmen gegen den Klimawandel verzögert oder blockiert werden.
Die Strategie: Zweifel an der Klimawissenschaft säen, den wissenschaftlichen Konsens zum Klimawandel in Frage stellen.
Die oft genutzten Taktiken
- leugnen, dass es den Klimawandel gibt
- leugnen, dass der Klimawandel menschengemacht ist
- leugnen, dass der Klimawandel ein Problem ist
- leugnen, dass Maßnahmen wirksam sein können oder möglich sind
Man begegnet diesen Taktiken in Form von unterschiedlichen Falschbehauptungen. „Es ist wichtig, daran zu denken, dass die meisten Menschen in der Bevölkerung, die Klimaforschungsergebnisse ablehnen, Opfer von Desinformation sind“, schrieb der Philosoph Lawrence Torcello vom Rochester Institute of Technology und Experte für Pseudoskeptizismus unter Klimawandelleugnern an den #Faktenfuchs. Das Ziel, so Torcello: „Die Desinformation soll Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels verzögern.“
Taktik 1: „Den Klimawandel gibt’s nicht“ – und was ist mit der Physik?
Der Taktik, den Klimawandel komplett zu leugnen, begegnet man etwa in der Falschbehauptung, die Wirkung von Treibhausgasen wie CO2 sei bisher empirisch nicht nachgewiesen. Matthias Schemmel, Physiker und Historiker an der Universität Hamburg sagte dem #Faktenfuchs: „Wenn man anzweifelt, dass CO2 ein Treibhausgas ist, durch das sich die Atmosphäre erwärmt, dann bezweifelt man die ganze Physik, wie wir sie kennen, denn diese Erkenntnisse sind ja Teil eines organischen Ganzen. Man bezweifelt dann etwas sehr Grundlegendes, etwa als würde man behaupten, schwere Gegenstände fielen nicht zu Boden.“
Auch Toralf Staud, Klimajournalist bei klimafakten.de, sagt: „Wenn ich wirklich ein Klimaleugner bin und atmosphärische Grundannahmen infrage stelle – und das tun diese Klimaleugner – dann dürften die nicht mehr ins Flugzeug steigen.“ Denn es sind die gleichen Grundgesetze der Physik und der Dynamik, die die (wesentlichen) Erkenntnisse über das Aufheizen der Erde begründen wie die Tatsache, dass ein Flugzeug in der Luft gehalten wird.
Der vermeintliche Betrug ist keiner
In eine ähnliche Richtung geht eine falsche Unterstellung, die sich seit vielen Jahren in verschiedenen Versionen verbreitet: Die Temperaturdaten, auf denen die Erkenntnisse der Klimaforschung beruhen, seien so manipuliert worden, dass sie zur „Lüge“ vom Klimawandel passen. Tatsächlich werden die Rohdaten der Messstationen nach anerkannten Methoden vereinheitlicht, damit die unterschiedlichen Einflüsse, denen die lokalen Messstationen unterliegen, das Ergebnis nicht verzerren.
„Dieses Narrativ, da würden Daten manipuliert, ist uralt, zigfach überprüft und genauso zigfach widerlegt“, sagt Klimajournalist Toralf Staud. Oft sprechen Klimawandelleugner über die vermeintliche Manipulation aber mit dem Gestus der Enthüllung – auch wenn der vermeintliche Betrug bei genauem Hinsehen keiner ist.
Attacken gegen die Experten
Ein weiteres Mittel, mit dem Forschungsergebnisse geleugnet werden, sind haltlose Attacken gegen die Forscher. Sie und ihre Methoden sollen diskreditiert werden. So fabrizierten Klimawandelleugner vor einigen Jahren einen vermeintlichen E-Mail-Skandal, bekannt geworden unter dem Begriff „Climategate“. Die Unterstellung: Forscher hätten sich verschworen, um einen angeblichen Temperaturrückgang zu vertuschen. Als Schein-Belege dienten passend ausgewählte Auszüge aus dem Mail-Verkehr – deren tatsächlicher, wissenschaftlicher Hintergrund aber ausgelassen wurde.
Mehrere unabhängige Untersuchungen kamen zu dem Schluss, dass die in der angeblichen „Climategate-Affäre“ angegriffenen Forscher keine Daten gefälscht hatten. Steve Mosher, der die Verschwörungstheorie, die Forscher hätten manipuliert, vorangetrieben hatte, entschuldigte sich später und räumte ein, dass die Wissenschaftler korrekt arbeiteten.
Taktik 2: „Klimawandel ja, menschengemacht nein“
Tatsächlich ist der Klimawandel bei vielen Menschen auch in Deutschland als Realität bereits angekommen. Hochwasser-Ereignisse zum Beispiel nehmen zu, auch in Bayern. Über den Klimawandel gebe es keinen „großen Disput“, sagt Andreas Becker, Leiter der Abteilung Klimaüberwachung des Deutschen Wetterdienstes (DWD). „Wenn Sie in Deutschland Umfragen in der Bevölkerung machen, bestehen eigentlich keine Zweifel am Klimawandel.“
Weniger entschieden seien die Menschen in der Debatte darüber, wie der Klimawandel gedämpft oder gemindert werden kann. „Da empfinden wir eine kognitive Dissonanz: Einerseits ist klar, da ist ein Problem, und man müsste etwas tun. Andererseits ist da die persönliche Ebene, auf der man das vielleicht nicht möchte, weil es mich persönlich einschränken könnte.“
Deshalb klingen die Erzählungen häufig so, wie die von Stephan Protschka, Bundestagsmitglied der AfD. Er sagte in den BR24 Wahlarenen vor der Bundestagswahl wiederholt, dass der Klimawandel zwar existiere, aber: „Das ‚menschengemacht‘ lassen wir mal weg. Klimawandel gibt’s, definitiv, den gibt’s schon seit – vermutlich seit – Bestehen der Erde, seit über vier Milliarden Jahren“, sagte Protschka und fügte an: „Laut Definition sind wir immer noch in einer Eiszeit, weil Nord- und Südpol vereist sind.“ Ein Ablenkungsmanöver, das essenzielle Fakten auslässt.
Zudem: Die Vorstellung etwa, dass der Klimawandel eine „Lüge“ sei, die von Forschern und Politik genährt werde, ist eine Verschwörungstheorie. Solche Vorstellungen können, das zeige sozialwissenschaftliche Forschung, Trost bieten für Menschen, die einer beängstigenden Realität begegnen, sagt Philosoph Torcello. In dieser muss die Menschheit sich komplexen Herausforderungen stellen, fossile Energien global zu ersetzen. Wenn nun gesagt werde, dass die Gefahren des Klimawandels übertrieben werden oder es nur eine Entlarvung von Verschwörern brauche, dann könne das beruhigen.
Eiszeitalter – und Klimaerwärmung: Das geht zusammen
Vorweg: Tatsächlich leben wir im jüngsten Eiszeitalter. Das ist aber kein Widerspruch zur aktuellen Klimaerwärmung. Die European Space Agency (ESA) schreibt: In der irdischen Klimageschichte war es tatsächlich über lange Zeit schon viel wärmer als heute. „Doch damals gab es keine Menschen und demzufolge auch keine vom Homo sapiens wahrgenommenen Katastrophen.“ Auch Becker vom DWD sagt: „Die absoluten Temperaturen, in denen wir uns bewegen, die sind tatsächlich kühler als in Warmzeiten, die es früher mal gab. Aber da gab es keinen Menschen, das ist ein wichtiges Detail.“ Jetzt aber gibt es den Menschen, ihn und sein Hab und Gut betreffen jetzt die Folgen der Erderwärmung.
Das Problem an Protschkas Behauptung: Sie setzt den gesamten Verlauf der irdischen Klimageschichte gleich mit dem erdgeschichtlich kurzen Abschnitt aus dieser Geschichte, in der sich die modernen Hochkulturen entwickelten. Mit Beginn des sogenannten Holozäns ermöglichten weitgehend stabile Temperaturen dem Menschen, eine komplexe Zivilisation zu etablieren. Der Mensch und der Rest der Natur können sich in der sehr kurzen Zeit, in der sich die aktuelle Erwärmung vollzieht, nicht ohne große Verluste anpassen.
DWD-Experte Becker sagt: „Nicht die absolute Temperatur ist das Problem. Es ist die Geschwindigkeit, in der das geschieht.“ Die Änderungen, die zum Beispiel zwischen Glazialen – also Kaltzeiten – und Warmzeiten stattfanden, fanden über Jahrtausende statt. Aber jetzt gerade vollziehen sich die Änderungen über Jahrzehnte. „Das heißt, wir haben hier einen Faktor Hundert in der Geschwindigkeit.“
Beides zugleich ist also richtig: Wir leben erdgeschichtlich gesehen in einem Eiszeitalter – und der Mensch treibt durch seinen CO2-Ausstoß die Erhitzung der Atmosphäre voran.
Logische Fehler – täuschend gut
Der Verweis auf die Eiszeit ist ein rhetorischer Trick, der logische Fehlschlüsse und Scheinargumente nutzt. Protschka schiebt die aktuelle Erwärmung einerseits einer falschen Ursache zu, nämlich der erdgeschichtlichen und vermeintlich natürlichen Entwicklung.
Er kombiniert das mit der Technik des Rosinenpickens („cherry-picking“): Ein Beleg, der die eigene Schein-Argumentation stützt, wird vorgebracht (die Eiszeit). Belege, die gegen die Argumentation sprechen, werden aber weggelassen – und zwar die ausschlaggebenden (die tatsächliche Ursache für die aktuelle Erderwärmung: der Einfluss des Menschen).
Schein-Argumente wie diese setzen unter anderem darauf, dass die meisten Zuschauer nicht die Zeit haben, die Details selbst zu recherchieren. Das aber müssten sie, um zu erkennen, dass solche Behauptungen sie in die Irre führen.
„Auch zu wenig komplexe Aussagen sind Scheinargumente“, sagt Lena Partzsch, Politikwissenschaftlerin und Klimapolitik-Expertin von der Freien Universität Berlin. Sie plädiert für mehr Komplexität statt einer scheinbaren Einfachheit.
Taktik 3: Klimawandel? „Kein Grund zur Sorge“
Dieses Schein-Argument eines angeblich natürlichen Klimawandels setzt Protschka ebenso ein für die Taktik der Verharmlosung:
Der Klimawandel sei kein Grund zur Sorge. Alles im Bereich des Natürlichen und Normalen – das impliziert Protschkas Aussage, dass es den Klimawandel immer schon gegeben habe. Das ist ein Beispiel für ein naturalistisches Scheinargument: Etwas sei gut oder zumindest nicht schädlich, da es natürlich sei. Und vor allem: Wenn es ein „natürlicher“ Prozess wäre, könnte der Mensch daran nichts ändern.
Taktik 4: Verzögerung von Maßnahmen: Der Mensch könne nichts ausrichten
Ganz ähnlich funktioniert eine alte und widerlegte Behauptung, die Protschka in einer weiteren BR24 Wahlarena verbreitete: Der Mensch könne gegen den Klimawandel nichts ausrichten, da die Vulkane auf der Erde sehr viel mehr CO2 ausstoßen würden als die Menschheit. Das ist falsch. Die Vulkane werden hier als Scheinargument verkauft.
Schein-Kausalität nutzt aus, dass zwei Ereignisse zeitlich zusammenfallen – aber nicht ursächlich zusammenhängen. Vulkane brechen auch heute aus, parallel zu den CO2-Emissionen des Menschen. Aber trotz regelmäßiger Vulkanausbrüche blieb der CO2-Gehalt der Luft über 800.000 Jahre deutlich unter den heutigen Werten. Er schwankte zwar, doch in einem immer wieder ähnlichen Rahmen. Erst seit der Industrialisierung steigt er signifikant. Protschkas Aussage stellt die aktuelle Erwärmung als natürlich dar – obwohl sie es nicht ist. Zugleich stellt er Gegenmaßnahmen damit als sinnlos dar. Eine weitere Taktik.
Erderwärmung liegt hauptsächlich am Menschen
Doch die Hauptursache für die aktuelle Erwärmung der Erdatmosphäre sind die Aktivitäten des Menschen, wie es unter anderem die ESA festhält. Ebenfalls wissenschaftlich belegt ist, dass der Treibhauseffekt weitreichende Konsequenzen haben kann. Die ESA zählt auf: katastrophale Dürren und die Verwüstung fruchtbarer Gebiete, sintflutartige Regenfälle und verheerende Überflutungen an den Küsten, die Verschiebung von Klimazonen.
Pseudoskeptizismus – Irreführende Skepsis
Die Strategie, mit Falschbehauptungen und Scheinargumenten Zweifel zu säen, könne demokratische Prozesse aushöhlen, sagt Politikwissenschaftlerin Partzsch. Entscheidungen können dann auf falschen Behauptungen beruhen. Der menschengemachte Klimawandel als Fakt ist unumstritten – wenn auch nicht mögliche Handlungsoptionen.
Für viele ist es ein hoher Wert, skeptisch und kritisch zu denken – und so auch Mitteilungen aus Politik, Wissenschaft und Medien zu begegnen. Zum Beispiel in Bezug auf den Klimawandel. Doch das kann in die Irre führen, etwa wenn Pseudoskeptizismus es darauf anlegt, Menschen zu täuschen.
Moderne Wissenschaft ist eine Form von Skeptisch-Sein als Methode. Wissenschaft funktioniert gut, so Philosoph Lawrence Torcello vom Rochester Institute of Technology, wenn Forscher versuchen, mögliche Erklärungen für ein Phänomen auszuschließen – um bei der Erklärung anzukommen, die am besten zu den statistischen Beobachtungsmustern in Bezug auf die Welt passt. Man versucht also, gegen Erklärungen zu argumentieren. „Wenn professionelle Wissenschaftler sich um eine geteilte Erklärung versammeln, dann ist das das Ergebnis einer rigoros skeptischen Methodologie“, sagt Torcello.
Pseudoskeptizismus hingegen ist eine Form der Wissenschaftsleugnung: wenn man diesen wissenschaftlichen Prozess missachte und ihn durch einen ideologischen Bias ersetze, so Torcello. Pseudoskeptizismus leugne einen etablierten wissenschaftlichen Konsens, beanspruche aber rhetorisch die Tugend der Skepsis oder des wissenschaftlichen Zweifels für sich.
Um diesen Unterschied zu erkennen, braucht es eine gewisse Vorbildung. Lena Partzsch sagt: „In den Schulen müsste Wissenschaft mehr erklärt werden.“ Um sich gegen Klima-Desinformation zu schützen, müsse man aber kein Wissenschaftler sein, sagt Torcello. Was es brauche, sei aber die Unterscheidung zwischen wissenschaftlichem Konsens und einseitig motiviertem Gruppendenken.
Fazit
Klimawandelleugner haben verschiedene Taktiken, um Forschungserkenntnisse zur Erderwärmung in Zweifel zu ziehen. Dafür wenden sie Scheinargumente an oder präsentieren sich häufig als Enthüller angeblichen Betrugs. Doch die Erkenntnisse der Klimaforschung sind seit vielen Jahren vielfach überprüft worden. Die Forschung kommt nach anerkannten Methoden immer wieder zum selben Ergebnis: Der Klimawandel ist menschengemacht.