Wälder bedecken 40 Prozent der EU-Landfläche und speichern riesige Mengen an CO2. Diese Fähigkeit machte sie zu einem wichtigen Faktor des EU-Ziels, bis 2050 klimaneutral zu werden. Zwischen 1990 und 2022 haben Waldgebiete zehn Prozent der Kohlendioxid-Emissionen in Biomasse umgewandelt. Doch diese CO2-Aufnahme hat sich um 25 Prozent abgeschwächt. Das belegt eine neue internationale Studie in der Fachzeitschrift Nature.
Ursachen: Hitze, Trockenheit, Abholzung
Der Geowissenschaftler Markus Reichstein, Direktor des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena, das auch an der Studie beteiligt war, nennt ein Bündel von Ursachen für den Rückgang der CO2-Aufnahme: Es werden immer mehr Waldflächen abgeholzt – vor allem zur Energieerzeugung und Papierproduktion. Hitzewellen und Trockenheit schädigen den Waldbestand.
Ein Drittel der EU-Wälder sind Monokulturen, vor allem Fichten oder Kieferpflanzungen, die besonders anfällig sind für Sturmschäden und Schädlinge wie den Borkenkäfer. Dazu kommen Extremereignisse wie Stürme und Waldbrände.
Wald in Deutschland hat bereits negative Klimabilanz
Wälder wandeln Treibhausgase in Biomasse um. Sie speichern den Kohlenstoff aus dem Kohlendioxid langfristig im Stamm, in den Blättern und im Waldboden. Abholzung und Waldschäden gefährden jedoch die positive Klimabilanz. Bald könnte der Wald als Klimaschützer EU-weit ausfallen.
Wie heute schon in Deutschland: Hier gibt der Wald jetzt schon mehr CO2 ab, als er absorbiert. Laut Bundeswaldbericht ist der Verlust an Biomasse durch Stürme, Dürre und Schädlinge größer als der Zuwachs an lebender Biomasse. Ohne die Mithilfe der „grünen Lunge“ Wald ist das EU-Ziel der Klimaneutralität bis 2050 kaum zu erreichen.
Suche nach dem Wald der Zukunft
Der Wald muss sich wandeln, damit er wieder mehr Kohlendioxid aufnehmen kann, sagt der Münchner Geowissenschaftler Wolfgang Obermeier von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er ist beteiligt an dem neuen Forschungsprojekt SURVEY, das auf drei Versuchsflächen im Harz und in Niederbayern den Wald der Zukunft sucht. Dabei werden drei Bewirtschaftungsmethoden miteinander verglichen.
Auf einer Fläche wird der Wald sich selbst überlassen und der natürlichen Entwicklung Raum gegeben. Eine zweite Fläche folgt der klassischen forstwirtschaftlichen Praxis mit gezielter Aufforstung. Auf der dritten Fläche hingegen werden gezielt klimaresiliente Baumarten gepflanzt, um ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Hitze, Trockenheit und Schädlingen zu testen.
Auf die Frage, wie der Wald der Zukunft aussehen könnte, antwortet Wolfgang Obermeier: „Dafür brauchen wir Bäume anderer Länder, die an die Dürrebedingungen angepasst sind. Wir brauchen eine hohe Durchmischung, damit, wenn eine Baumart ausfällt, die anderen Baumarten weiterwachsen. Wir brauchen eine Durchmischung der Altersstruktur, junge unter alten Bäumen. Wir brauchen mehr Laub- als Nadelbäume, da diese klimatoleranter sind.“
Bewirtschaftung und Verwertung ändern
Aber der „ideale“ Wald allein hilft nichts, wenn sich nicht auch die Bewirtschaftung und die Verwertung ändert. Man müsse mehr Holz im Wald belassen. Auch die Nutzung ist wichtig für die Klimabilanz. Zurzeit werde noch zu viel Holz verbrannt oder zu Papier verarbeitet, so Wolfgang Obermeier: „Es sollte nicht mehr geschlagen werden, als nachwachsen kann, und das Produkt langfristig genutzt werden. Hier sind Möbel und Holzhäuser zu nennen, die langfristig, bis zu 100 Jahre, das CO2 binden.“
Den Wald an die höheren Temperaturen anpassen und das Holz klimafreundlich nutzen: Wenn das gelingt und die EU zeitnah reagiert, sind beide Forscher vorsichtig optimistisch. Dann könnten die EU-Wälder als Kohlenstoffspeicher erhalten bleiben.