Die „Wet Wipe Island“ ist keine Insel im klassischen Sinn. „Wet Wipe Island“ wird die Feuchttuchinsel genannt, die sich seit 2017 am Ufer der Themse gebildet hat und die aus Massen von Feuchttüchern besteht, die die Einwohner Londons über die Toilette entsorgt haben. Die Ekel-Insel mit der Fläche von zwei Fußballfeldern soll jetzt abgebaggert werden. Der aufgetürmte Müllberg aus den Tüchern könnte einem britischen Gesetzesentwurf Nachdruck verleihen, wonach plastikhaltige Feuchttücher gänzlich verboten werden sollen.
Auch hierzulande sorgen die Feuchttücher für große Probleme. In den Kläranlagen verstopfen die Tücher mit ihrem zähen Gewebe die Pump- und Förderanlagen und verursachen dadurch erhebliche Kosten.
Feuchttücher – ein enormer Mehraufwand für die Klärwerke
„Bei uns verursachen Feuchttücher starke Verstopfungen der mechanischen Anlagen, wir haben Ablagerungen im Kanalnetz, die wir dann mühsam wegspülen müssen. Das führt zu einem enormen Betriebsaufwand“, erklärt Sven Vogt, Betriebsleiter der Augsburger Stadtentwässerung.
Feuchttücher setzen den Betreibern von Kläranlagen weit mehr zu als alle anderen Feststoffe wie etwa Damenbinden oder Kondome, die ebenfalls verbotenerweise über die Toilette entsorgt werden. Die Tücher verweben sich vor allem in Pumpanlagen zu sehr festen Zöpfen, welche die Anlagen lahmlegen. Sie müssen deshalb mit großem Aufwand gereinigt werden, was zu erheblichen Mehrkosten führt. Doch wie groß dieses Problem in Deutschland tatsächlich ist, kann niemand genau sagen.
Feuchttücher: Schäden in Millionenhöhe für Kläranlagenbetreiber
Offizielle Zahlen dazu gibt es bislang nicht. Eine Anfrage an die Bundesregierung im Jahr 2016, ob diese Zahlen erhoben werden sollten, hat die Bundesregierung abgelehnt, weil das Problem ihrer Ansicht nach nicht groß genug sei, hieß es damals. Nach einer Umfrage bei 226 Kläranlagenbetreibern in Deutschland von der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall variieren die Kosten für den zusätzlichen Wartungsaufwand, der durch Feuchttücher in den Anlagen entsteht. „Bei größeren Betrieben sind es eine Million pro Jahr“, so Stefan Bröker, Sprecher der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA).
Bei den fast 8.700 öffentlichen Kläranlagen in Deutschland dürfte hier eine gigantische Summe zusammenkommen. Eigentlich kaum verwunderlich, denn laut einer durch das Bundesumweltamt veröffentlichten Studie gelangten im Jahr 2022 deutlich über 100.000 Tonnen Feuchttücher in Deutschland auf den Markt. Zum Vergleich: Bei Plastiktüten und Folienverpackungen kommt man hier auf „nur“ rund 75.000 Tonnen.
„Wasserlösliche“ Feuchttücher sind keine Alternative
Ein Großteil der Feuchttücher auf dem Markt enthält Plastik, was sie so beständig und reißfest macht. Inzwischen gibt es aber auch Feuchttücher etwa aus synthetischer Cellulose, die biologisch abbaubar sind, und die von den Herstellern als besonders umweltfreundlich beworben werden. Laut Packungsbeschreibung können sie sogar bedenkenlos durch die Toilette entsorgt werden. Für die Kläranlagenbetreiber ist das reine Augenwischerei.
„Der Weg von der Toilette bis zur Kläranlage ist so kurz, dass die Wasserlöslichkeit in dem Zeitraum nicht gegeben ist und die Pumpen deswegen verstopfen“, sagt Stefan Bröker von der DWA. Zumindest für die Klärwerksbetreiber sind solche Tücher daher keine Lösung.
Doch wie soll man der immer größer werdenden Menge von Feuchttüchern beikommen? Ein Verbot zumindest von den plastikhaltigen Tüchern, wie es derzeit in England diskutiert wird, fordert sein Verband derzeit noch nicht. Er setzt weiterhin auf die Vernunft der Verbraucher, dass sie Feuchttücher wie auch andere Hygieneartikel über den Hausmüll entsorgen.
Für Sven Vogt von der Stadtentwässerung Augsburg geht das allerdings nicht weit genug. Er fordert klare Reaktionen von der Politik. So könne man sich überlegen, Feuchttücher durch Alternativprodukte zu ersetzen. Andernfalls müsse man über ein Verbot nachdenken. Denn wie er, wissen viele Kläranlagenbetreiber nicht, wie sie mit dem rasch wachsenden Feuchttuchberg in unserer Kanalisation fertig werden sollen. „Wir können nur ganz klar an die Bürger appellieren. Unser Motto ist: Nur der Po gehört aufs Klo, und daran muss sich jeder halten“, betont Stefan Bröker von der DWA.