Die KZ-Gedenkstätte Dachau hat umfangreiche Aufgaben zu bewältigen und sieht sich personell und finanziell gut dafür aufgestellt, sagt der stellvertretende Leiter Christoph Thonfeld: „Gleichzeitig ist es aber auch so, dass die Aufgaben auf allen Feldern wachsen.“
Überlebende des Lagers setzten vor 60 Jahren gegen erbitterten Widerstand der Lokal- und Landespolitik die Errichtung der Gedenkstätte Dachau durch. Der inzwischen verstorbene ehemalige Dachau-Häftling Max Mannheimer hat immer wieder betont, warum KZ-Gedenkstätten als „steinerne Zeugen“ so wichtig sind: „Sie sind Tatorte, Friedhöfe, Museen und Orte des Lernens. Sie sind Beweise gegen Verleumdung und Verharmlosung und müssen auf Dauer erhalten werden.“
Einem der wichtigsten Gebäude drohte die Sperrung
Doch an den wenigen noch erhaltenen Originalgebäuden in Dachau nagt der Zahn der Zeit. Dem Krematorium, einem der wichtigsten Gedenkorte auf dem einstigen KZ-Gelände, drohte unlängst die Sperrung bei Schneelast oder Sturm. Nicht etwa, weil es tatsächlich einsturzgefährdet gewesen sei, wie Thonfeld betont, sondern weil die behördlichen Vorschriften für solche Gebäude verschärft wurden. „Nichts von dem, was hier am Ort steht, war dafür gedacht, ein ganzes Jahrhundert zu stehen.“
Der Erhalt von Gebäuden ist das eine. Die KZ-Gedenkstätte soll aber auch erweitert werden, unter anderem durch Gebäude auf dem Nachbargrundstück, die aktuell noch von der Bayerischen Bereitschaftspolizei genutzt werden, etwa die einstige SS-Kommandantur. Konzepte dafür liegen schon lange vor und stoßen auf breite politische Zustimmung. Doch seit Jahren hat es kaum nennenswerte Fortschritte gegeben. Auch die ehemalige Plantage des KZ, der sogenannte Kräutergarten, hätte längst in die Gedenkstätte integriert werden sollen. Hier stockt das Projekt wegen befürchteter Kriegsaltlasten.
Provokationen und Angriffe auf die Erinnerungskultur
Einzig bei den Nachbauten der Häftlingsbaracken am ehemaligen Appellplatz scheint sich langsam etwas zu bewegen. Sie sollen umgebaut werden zu Ausstellungsräumen und einem Bildungszentrum. Allerdings streiten sich Freistaat und Bund seit mehr als zwei Jahren um die Finanzierung. Für die wenigen Überlebenden der Konzentrationslager, die es noch gibt, und für ihre Nachkommen, die sich im Internationalen Dachau Komitee und der Lagergemeinschaft Dachau organisiert haben, ist die Situation frustrierend.
Dabei wäre eine Stärkung der KZ-Gedenkstätten aktuell wichtiger denn je – in einer Zeit, in der der Rechtsextremismus rasant wächst und führende Vertreter der AfD die deutsche Erinnerungskultur grundsätzlich in Frage stellen: Längst sei die veränderte gesellschaftliche Stimmung auch in der Gedenkstätte spürbar, beobachtet Chistoph Thonfeld. Etwa, wenn es bei Führungen zu offenen Provokationen kommt oder Besucher die Nazi-Verbrechen leugnen. Auch im Netz gebe es seit der Pandemie verstärkt Angriffe auf die Gedenkstätte.
Gegründet zur Vernichtung des politischen Widerstands
Dachau war eines der ersten Konzentrationslager. Hier inhaftierten, quälten und ermordeten die Nazis zunächst vor allem ihre politischen Gegner: Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter. Später auch Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle und andere Minderheiten. In Dachau lernten die Massenmörder von Auschwitz und anderen Vernichtungslagern ihr blutiges Handwerk. Und in den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges wurden die Dachauer Außenlager in Kaufering und Mühldorf zu Tatorten des Holocaust, tausende jüdische Zwangsarbeiter wurden dort ermordet.
Gerade deshalb sei die Gedenkstätte als Lernort so wichtig, sagt der Präsident der Lagergemeinschaft Dachau Ernst Grube, dessen Onkel im Außenlagerkomplex Kaufering ermordet wurde und der selbst als Kind das KZ Theresienstadt überlebt hat: „Die Gedenkstätten haben eine ungeheure Bedeutung für das Vermitteln von Wissen, für die historische Erinnerung und wenn es darum geht, humanitäre Fragen zu behandeln und zu beantworten.“ Damit sich Geschichte nicht wiederhole.
„Keine gesellschaftliche Notfall-Apotheke“
Doch Christoph Thonfeld warnt auch vor einer Überforderung. Die Gedenkstätten seien nicht „die gesellschaftliche Notfall-Apotheke“, betont der stellvertretende Gedenkstättenleiter. „Wir können aufzeigen, wohin die Verrohung der politischen Kultur, die Missachtung der unabhängigen Justiz, die Einschränkung freier Berichterstattung, die Verfolgung politischer Opposition, führen können. Aber wir können nicht sozusagen ein Allheilmittel verabreichen.“ Politik und Gesellschaft sind also gefordert, um das Erbe der KZ-Überlebenden am Leben zu erhalten. Es prangt in großen Lettern in fünf Sprachen auf dem Mahnmal auf dem einstigen Appellplatz: „Nie wieder“.