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Bei den gesetzlichen Krankenkassen sind in den vergangenen Wochen nur wenige Widersprüche gegen die neue elektronische Patientenakte („ePA für alle„) eingegangen. Die AOK als mit Abstand größte Kasse in Bayern meldet eine Widerspruchsquote von vier Prozent. Die größte bundesweite Kasse, die Techniker Krankenkasse, berichtet, der Anteil der Widersprüche liege „im einstelligen Prozentbereich“. Die Barmer als Nummer zwei unter den bundesweiten Kassen beziffert die Widerspruchsquote auf 4,3 Prozent. Bei der DAK, der Nummer drei der bundesweiten Kassen, sind es rund drei Prozent.
Die Kassen sehen den vergleichsweise geringen Anteil an Widersprüchen positiv. Die Fachbereichsleiterin Digitale Versorgung der AOK Bayern, Katharina Schels, sagte dem BR, im vergangenen Jahr habe es Umfragen gegeben, wonach 15 Prozent der Versicherten oder mehr der ePA widersprechen würden.
ePA soll Gesundheitssystem effizienter machen
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte vergangenes Jahr dafür gesorgt, dass für alle gesetzlich Versicherten eine ePA eingerichtet und schrittweise mit Behandlungsdaten befüllt wird, sofern die Patienten nicht widersprechen. Denn die Zahl der Menschen, die von sich aus eine ePA eingerichtet haben, war vorher sehr gering.
Befürworter der ePA hoffen auf bessere Behandlungsmöglichkeiten und mehr Effizienz im Gesundheitssystem, wenn etwa Diagnosen oder Medikationslisten besser verfügbar sind. Kritiker warnen vor Datenmissbrauch.
ePA-Probephase unter anderem in Franken
Die Einführung der „ePA für alle“ erfolgt schrittweise. Zunächst werden technische Abläufe in einigen Testregionen erprobt: in Franken, Hamburg und Teilen von Nordrhein-Westfalen. Der Aufwand ist beträchtlich. Nach Angaben der Krankenkassen nutzen die bundesweit rund 100.000 Arztpraxen Software-Lösungen von rund 200 verschiedenen Anbietern.
Neben diesen Praxisverwaltungssystemen haben die etwa 1.800 Kliniken eigene Computersysteme. Auf sie alle muss die ePA abgestimmt werden. Der Probelauf soll vier bis sechs Wochen dauern. Danach soll die Patientenakte bundesweit ausgerollt werden.
Experten warnen vor Sicherheitslücken bei der elektronischen Patientenakte
Kurz vor dem Start der Probephase hat allerdings der Chaos Computer Club (CCC) vor Sicherheitslücken bei der ePA gewarnt. Die für die technische Umsetzung zuständige halbstaatliche Organisation Gematik hat zwar angekündigt, diese Lücken zu schließen.
Aber beispielsweise BR24-Userin „Hermione“ überzeugt das nicht. Sie schrieb in einem Kommentar: „Deswegen habe ich der Einrichtung der digitalen Akte erstmal widersprochen. Der öffentliche Betatest darf gerne ohne meine persönlichen Daten stattfinden. Wenn die ihre Bugs und Sicherheitslücken in den Griff bekommen haben, können wir wieder drüber reden.“
Bundesärztekammer rät Patienten von der ePA ab
In die gleiche Richtung argumentiert der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt. Vor dem Hintergrund der Probleme, die der CCC aufgezeigt hat, rate er Patienten derzeit „eher nicht“ dazu, die ePA einrichten zu lassen, sagte er Anfang Januar.
Auch der Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbandes, Wolfgang Ritter, hält die Patientenakte für noch nicht ausgereift. Er bedauere das sehr, betont Ritter im Gespräch mit BR24. Denn er sehe große Chancen in der ePA, erklärt Ritter und nennt ein praktisches Beispiel: „Ein Patient kommt mit Herzbeschwerden in die Praxis, und ich möchte mit einem Klick sehen, wie waren die letzten drei EKGs, die beim Kardiologen, in der Klinik oder irgendwo gelaufen sind.“
Doch die Möglichkeit, auf einfache Weise solche Informationen abzurufen, sei erst einmal nicht gegeben, ärgert sich der Hausärzte-Chef. Zunächst seien nur wenige Daten verfügbar und eine Suche in der ePA sei schwierig. Er hoffe aber, dass die Patientenakte bald besser nutzbar werde, erklärt Ritter.
Intensivmediziner warnen vor ePA-Widerspruch
In der Ärzteschaft gibt es aber auch Stimmen, die sich klar hinter die ePA stellen. Der Generalsekretär der Intensiv- und Notfallmediziner-Vereinigung DIVI, Uwe Janssens, warnt Patienten davor, die elektronische Akte abzulehnen. „Wer widerspricht, gefährdet möglicherweise die eigene Versorgung und Gesundheit“, sagte Janssens der „Augsburger Allgemeinen“ (externer Link).
In die gleiche Richtung argumentiert BR24-User „hannes“ kürzlich: „Ich denke, dass die analoge Arbeitsweise in der Medizin mehr Opfer kostet als die Digitalisierung. Wo Menschen sind, passieren Fehler. Aber digital kann man deutlich mehr Plausi-Checks und Sicherheitsmechanismen automatisch integrieren. Die digitale Patientenakte muss sofort umfassend eingeführt werden.“
Patienten können eigene Informationen in der ePA steuern
Die für die Einführung der ePA zuständige Gesellschaft Gematik betont, dass Patienten zu jedem Zeitpunkt entscheiden können, ob und wie Daten in der Akte gespeichert werden. Sie können jederzeit der ePA insgesamt widersprechen oder diesen Widerspruch auch wieder zurückziehen. Und Patienten können auch steuern, welche Ärzte Zugriffsrechte haben und welche Informationen für wen sichtbar sind.