Schlaflose Nächte hatte Schulleiter Günther Manhardt. Sein Schmuttertal Gymnasium in Diedorf bei Augsburg ist zu klein. Dabei ist es erst zehn Jahre alt und preisgekrönt. Wegen der besonderen Bauweise aus Holz ist es mit dem Deutschen Architekturpreis ausgezeichnet worden. Es ist für G8 konzipiert. 2015 war die Fertigstellung. Zwei Jahre später hat Bayern die Rückkehr zu G9 beschlossen.
Ein Beispiel: Das Schmuttertal Gymnasium in Diedorf bei Augsburg
Geplant war das Diedorfer Gymnasium für 800 Schülerinnen und Schüler. Jetzt, zum neuen Schuljahr, sind 932 angemeldet. Dabei hatte die Schule in weiser Voraussicht schon Jahre vorher keine Schüler mehr aufgenommen. Aber nun bleibt ein zusätzlicher Jahrgang dauerhaft: der 13. Jahrgang. „Wir mussten unser ganzes Unterrichtsprogramm umstellen. Es ist völlig auf Kante genäht. Wir haben keinen einzigen freien Raum mehr“, erzählt der Schulleiter.
Mehr Räume für mehr Schüler – mit viel Mühe und Kreativität
Lange hat die Schulgemeinschaft des Gymnasiums überlegt, wie sie mehr Raum schaffen können. Die Lösungen sind durchaus kreativ: Es gibt keine festen Klassenzimmer mehr, sondern Wanderklassen: Die Schüler gehen für jedes Fach von Raum zu Raum. Außerdem findet der Sportunterricht nun vor allem am Vormittag statt. Die Sporthalle ist damit durchgehend belegt und im Hauptgebäude werden Klassenzimmer frei. Und in den Kunsträumen findet zukünftig auch Mathe-, Deutsch- und Englischunterricht statt.
Lösungen anderer Schulen: Kellerräume, Anbauten, Container, Räume anmieten
Wie dem Schmuttertal Gymnasium im Landkreis Augsburg geht es einigen Schulen in Bayern. Das zeigt eine BR24-Abfrage unter bayerischen Gymnasien. Zwar waren viele Schulgebäude bis zur G8-Einführung im Jahr 2011 auf neun Jahrgänge ausgelegt, gleichzeitig wächst aber die Bevölkerung und damit die Schülerzahl. Die Schulleitung des Meranier-Gymnasiums Lichtenfels in Oberfranken schreibt zum Beispiel, dass sie mit Müh und Not den Zuwachs von etwa 95 Schülerinnen und Schülern unterbringen. Ausweichräume seien keine mehr vorhanden. Mittelfristig sind Baumaßnahmen geplant. Ähnlich geht es dem Gymnasium Kirchseeon bei München.
Andere Schulen haben mit Anbauten oder Containern rechtzeitig vorgesorgt – wie beispielsweise das Fraunhofer-Gymnasium Cham, das Ruperti-Gymnasium in Mühldorf am Inn und das Dientzenhofer-Gymnasium in Bamberg. In Würzburg hat das Friedrich-Koenig-Gymnasium die Kellerräume umgebaut.
Landkreise wie München und Augsburg bauen wegen G9 neue Gymnasien
In ganzen Landkreisen sorgt die Rückkehr zu G9 für Raumprobleme. Zum Beispiel im Landkreis München. Hier gibt es 17 Gymnasien. Durch starken Zuzug und steigende Schülerzahlen ist das zu wenig, so Landrat Christoph Göbel. Deswegen entstehen gerade drei neue Gymnasien: in Sauerlach, Aschheim und Putzbrunn. An sechs weiteren Gymnasien wird angebaut. „Die meisten Gymnasien brauchen zusätzliche Räume“, sagt Landrat Göbel.
Prognose: Schülerzahl an Bayerns Gymnasien steigt immer weiter
Die Raumnot wird bleiben. Denn der Bedarf steigt von Jahr zu Jahr. Laut einer Prognose des Bayerischen Kultusministeriums nimmt die Schülerzahl an den Gymnasien um mehr als 74.000 bis zum Jahr 2035 zu, auf mehr als 390.000.
Der Bayerische Philologenverband (bpv) hat schon vor Jahren gemahnt, rechtzeitig den Wechsel zu G9 zu planen. „Die Problemlagen waren klar, vielerorts sind Gymnasien-Neubauten entstanden, die auf G8 konzipiert waren, die jetzt natürlich vor Herausforderungen entstehen“, sagt der pbv-Vorsitzende Michael Schwägerl. Die Schulen stünden schon lange unter Druck, durch Corona und dadurch immer noch bestehende psychosoziale Schwierigkeiten, dazu der Lehrermangel. „Die Raumnot verschärft die Lage.“
Die gute Nachricht: Jeder Schüler, jede Schülerin wird Raum haben
Der bpv-Chef Michael Schwägerl ist zuversichtlich. Vielerorts seien Lösungen gefunden worden. Jeder Schüler, jede Schülerin werde ein Klassenzimmer haben. „Dass es an manchen Stellen zwickt, ist aber auch eine Tatsache“, sagt der Gymnasiallehrer.
Dem Bayerischen Kultusministerium sind keine Raumprobleme an Gymnasien bekannt, teilt es auf BR24-Anfrage mit. „Die Rückmeldungen aus den bayerischen Gymnasien zeigen, dass der Aufwuchs des neunjährigen Gymnasiums gründlich durchdacht und die erforderlichen Umsetzungsschritte gut und langfristig vorbereitet wurden“, heißt es. Aber: Da es eine staatliche Entscheidung war, zu neun Jahren Gymnasium zurückzukehren, erhalten die zuständigen Kommunen bei G9-bedingtem Baubedarf eine finanzielle Unterstützung.
Mit Aufwand und Mühe haben Bayerns Gymnasien zumindest für das kommende Schuljahr 2025/26 genug Räume geschaffen. Aber perspektivisch wird es eng. Das weiß auch Schulleiter Günther Manhardt. Sein Schmuttertal Gymnasium ist für die nächsten Jahre definitiv zu klein.