Die Schilf-Glasflügelzikade ist ein kleines Insekt, nicht mal einen Zentimeter groß. Sie überwintert im Boden von Getreidefeldern, in ein paar Wochen fliegt sie wieder aus – in benachbarte Zuckerrüben. Dort überträgt der Schädling durch Bakterien zwei Krankheiten: SBR und Stolbur. Die Folge: die Rübenblätter werden erst gelb, dann welk, übrig bleiben gummiartige Rüben mit einem niedrigen Zuckerertrag.
Auch Kartoffeln und Gemüse betroffen
Doch längst hat es die Zikade nicht mehr nur auf Zuckerrüben abgesehen. Inzwischen gehören auch Kartoffeln und Gemüsekulturen wie Karotten, Pastinake oder Rote Beete zu den Wirtspflanzen. Allein bei Kartoffeln und Zuckerrüben waren im Jahr 2024 mehr als 100.000 Hektar betroffen, berichtet das Julius-Kühn-Institut. Teilweise gab es Ernteeinbußen von 50 Prozent und mehr.
Zikade könnte Nahrungsmittelversorgung bedrohen
Und die Zikade breitet sich immer weiter aus: 2008 wurden im Raum Heilbronn die ersten Schäden an Zuckerrüben in Deutschland entdeckt, 2019 dann zum ersten Mal in Franken. Inzwischen ist sie auch im Süden Bayerns angekommen. Bis zu 50 Kilometer wandert sie pro Jahr. „Wenn ganz Europa von der Zikade erobert ist, haben wir definitiv ein Ernährungsproblem“, warnt Christian Lang, Geschäftsführer im Verband der Hessisch-Pfälzischen Zuckerrüben-Anbauer.
Zwar sind mit den Krankheiten befallenes Gemüse oder auch die Kartoffeln noch essbar und für den Menschen nicht schädlich – allerdings werden die Kulturen weich und bekommen Verfärbungen. So sind sie kaum lagerfähig und schlecht zu verarbeiten.
Züchtung toleranter und resistenter Sorten
Die Forschung zur Bekämpfung der Schilf-Glasflügelzikade steckt noch in den Anfängen. Am Institut für Zuckerrübenforschung in Göttingen werden die Insekten kontrolliert gezüchtet, um mehr über sie herauszufinden. So können dort das ganze Jahr über Versuche im Gewächshaus durchgeführt werden. Ein Ziel: Bei der Züchtung toleranter und resistenter Sorten mitzuhelfen. Doch das kann noch zehn Jahre dauern.
Versuche in Modellregionen – auch in Bayern
Parallel zur Grundlagenforschung im Labor werden deshalb auch großflächige Versuche auf dem Feld durchgeführt – in Modellregionen, unter anderem in den Landkreisen Würzburg und Eichstätt. Ergebnisse aus dem vergangenen Jahr zeigen: Die Zikaden werden deutlich weniger, wenn die Fruchtfolge verändert wird. Oft wird nach der Zuckerrübenernte noch im Herbst Winterweizen gesät, an den Wurzeln des Weizens ernähren sich dann die Larven der Zikaden – bis sie im nächsten Jahr wieder ausfliegen.
Ziel ist es daher, die Nymphen über den Winter quasi auszuhungern und erst im Frühjahr Sommergetreide oder Mais zu säen. Doch in der Praxis ist die sogenannte Schwarzbrache, also den Acker den Winter über ohne Bewuchs zu lassen, schwierig umzusetzen. Teilweise erlauben Umweltauflagen das nicht, für Kulturen wie Mais fehlen in manchen Regionen die Abnehmer und am Ende funktioniert die Schwarzbrache nur, wenn möglichst alle Landwirte mitmachen.
Notfallzulassungen für Pflanzenschutzmittel
Einen Hoffnungsschimmer gibt es für Landwirte inzwischen: Sieben Pflanzenschutzmittel haben im April eine Notfallzulassung erhalten. Gegen Blattläuse waren diese Insektizide bereits zugelassen, jetzt dürfen sie auch zur Bekämpfung der Schilf-Glasflügelzikade im Zuckerrübenanbau verwendet werden. In vorangegangen ersten Versuchen konnte durch den Einsatz der Insektizide die Anzahl der Nymphen im Boden erheblich reduziert werden.
Aber mit Pflanzenschutzmitteln allein lässt sich das Problem nicht in den Griff bekommen. Solange es die optimale Lösung gegen die Schilf-Glasflügelzikade noch nicht gibt, müssen Landwirte verschiedene Maßnahmen kombinieren, um ihre Erträge einigermaßen zu stabilisieren.
Im Audio: Die Schilf-Glasflügelzikade