„Sobald irgendwo Kohlenwasserstoffe enthalten sind, dann kann man daraus auch Biokraftstoff herstellen“, erklärt Katrin Naumann vom Deutschen Biomasseforschungszentrum. „Die Frage ist nur: mit welchem technologischen Aufwand.“ Um herauszufinden, wie viel Kraftstoff aus Rest- und Abfallstoffen hergestellt werden könnte, hat das Deutsche Biomasseforschungszentrum 77 verschiedene Biomasse-Arten analysiert. Darunter Stroh, Kraut, tierische Exkremente, Reste aus der Nahrungsmittelproduktion, Klärschlamm, Siedlungsabfälle, Holz sowie zucker-, stärke- und ölhaltige Saaten und Früchte.
„Technisches Potenzial“ bei fast einem Drittel
Das Potenzial von Biokraftstoffen aus Rest- und Abfallstoffen schätzt die Expertin Katrin Naumann demnach als „erheblich“ ein. Man könne die heutige Kraftstoffmenge bis zu maximal einem Drittel ersetzen (externer Link). Das ist jedoch das sogenannte „technische Potenzial“. Das bedeutet, dass alle Rest- und Abfallstoffe einberechnet werden, deren Verwertung theoretisch technisch möglich wäre. Außerdem wird angenommen, dass aller nutzbarer Abfall auch für die Kraftstoffherstellung verwendet wird und nicht für andere Nutzungszwecke.
Potenzial für Biokraftstoffe aus Abfall bei maximal zehn Prozent
Horst Fehrenbach vom Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg schätzt das realistische Potenzial für Biokraftstoffe aus Rest- und Abfallstoffen deswegen um einiges geringer ein. Er geht davon aus, dass dieses bei etwa fünf bis zehn Prozent der verbrauchten Kraftstoffmenge liegen könnte. Zuletzt wurden in Deutschland 3,4 Prozent Biokraftstoff aus Abfall getankt, so Fehrenbach. Seine Berechnungen basieren auf Daten der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (externer Link). Das entspreche einer Menge von rund 2,5 Milliarden Litern.
Aktuell rund drei Prozent Biokraftstoff aus Abfall
Eine Erhöhung von 3,4 auf insgesamt zehn Prozent würde also in etwa einer Verdreifachung gegenüber der heutigen Quote entsprechen. Eine solche Verdreifachung bewertet Horst Fehrenbach vom Institut für Energie- und Umweltforschung jedoch als „sehr optimistisch“. Theoretisch könnten vor allem Stroh und anderen Abfälle zwar für eine solche Erhöhung reichen. „Wenn diese aber wirklich nachhaltig und auch wirtschaftlich leistbar sein soll, dann wäre eine Verdopplung der heutigen 3,4 Prozent schon sehr ambitioniert“, so der Experte.
Biomasse nur da einsetzen, wo nicht elektrifiziert werden kann
Wenn es um die Verteilung der begrenzten Ressource „Biomasse“ geht, müsse man insgesamt ganzheitlich denken, sagt Daniela Thrän, Biomasse-Expertin am Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (externer Link). Wenn die Klimaziele eingehalten werden sollen, dann wäre der beste Weg, möglichst alle Autos elektrisch zu betreiben und mit Wärmepumpen zu heizen. Biomasse dürfte in fünfzehn bis zwanzig Jahren dann nicht mehr im Bereich des Individualverkehrs genutzt werden, „sondern vielleicht eher im Bereich der Flugkraftstoffe oder vielleicht auch, um Hochtemperatur- oder Industriewärme zu erzeugen. Also überall da, wo man nicht elektrifizieren kann“.
Schnell wachsende Hölzer statt Raps
Insgesamt geht aus den Daten der Landesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung hervor, dass etwa 60 Prozent des verbrauchten Biokraftstoffes derzeit aus Abfall- und Reststoffen hergestellt wird. Der Rest aus sogenannter „kultivierter Biomasse“, also beispielsweise extra für die Biokraftstoffproduktion angebauter Raps. Um eine möglichst kosteneffiziente Energiewende zu gestalten, würde man dann auch solche Felder anders bewirtschaften, so Thrän. Etwa Raps durch schnell wachsende Hölzer ersetzen. Insgesamt sind sich die Experten einig: Bioabfälle als Rohstoff für Benzin und Diesel können einen Beitrag für die Energiewende leisten. Besonders groß wird dieser aber nicht sein.