Hoch über den Wolken, auf dem kargen Felsplateau der Zugspitze, wo der Blick bis nach Italien reicht, soll bald ein Blick noch viel weiter hinaus möglich sein – ins Herz der Galaxien, zu fremden Welten, ja vielleicht bis an die Grenzen der Erkenntnis. Auf rund 2.500 Metern Höhe entsteht eines der ambitioniertesten Astronomieprojekte Europas: das Wetterstein-Millimeter-Teleskop, kurz WMT.
Forschung für Erde und Weltraum
Ein gewaltiger Parabolspiegel von 18 Metern Durchmesser wird künftig von hier aus den Himmel absuchen – nach Spuren von Schwarzen Löchern, nach der Geburt erdähnlicher Planeten, nach rätselhaften Radioblitzen aus fernen Galaxien. Und: nach den immer zahlreicheren Trümmerteilen in der Erdumlaufbahn, die Satelliten und Missionen gefährden. Neben der Weltraumbeobachtung erfüllt das WMT wichtige Aufgaben für die Erde: Es soll etwa geodätische Daten liefern, die helfen, den Klimawandel zu verstehen. Es kann zur Früherkennung von gefährlichem Weltraumschrott beitragen. Und es unterstützt Satellitenmissionen mit modernster Kommunikationstechnologie – etwa im Rahmen des Würzburger Kleinsatellitenprojekts SONATE-2.
Countdown auf der Zugspitze – Workshop als Startschuss
Auf der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus ist jetzt der Startschuss in einem Workshop gefallen. Rund 60 Forschende aus aller Welt haben sich zu einem zweitägigen Workshop auf Deutschlands höchsten Berg getroffen. Ihr Ziel: das gemeinsame wissenschaftliche Fundament für das WMT legen. Mit dabei sind Spezialistinnen und Spezialisten aus der Astronomie, Atmosphärenphysik, Satellitenkommunikation, Radartechnik, KI-Entwicklung und mehr. „Das WMT wird nicht nur ein Fenster ins All – sondern eine interdisziplinäre Plattform für Spitzenforschung“, erklärt Prof. Matthias Kadler BR24. Er leitet den Lehrstuhl für Astronomie von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und treibt das Projekt maßgeblich voran.
Keine Strahlung und keine Gefahr für Menschen
Das Wetterstein-Millimeter-Teleskop empfängt ausschließlich schwache Radiowellen aus dem All – es sendet selbst keine Strahlung aus, so Prof. Kadler auf BR24 Nachfrage. Das bedeutet laut ihm, dass das WMT vollkommen ungefährlich für Menschen, Umwelt und elektronische Geräte ist und keinerlei gesundheitliche Risiken mit sich bringt. Technologisch spielt das Teleskop in der ersten Liga: Es wird Teil eines weltweiten Radioteleskop-Netzwerks mit über 260 Stationen – dem sogenannten next-generation Very Large Array.
Ein deutsches Teleskop in einem globalen Supernetzwerk
Was die NASA mit optischen Teleskopen wie „Webb“ im Infrarotbereich schafft, soll das WMT mit Radiowellen erreichen: scharfe Bilder, wo es bislang nur verrauschte Schatten gab. Dank seiner besonderen Lage auf dem Zugspitzplatt kann das WMT auch bei wechselhaftem Wetter exakte Daten liefern. Und: Es wird ein Pilot für weitere Anlagen – mit Know-how „Made in Germany“. Der Bau des Teleskops soll rund 4,5 Millionen Euro kosten. Einen Großteil der Finanzierung übernimmt der Freistaat Bayern. Die Hoffnung von Bayerns Umweltminister Glauber von den Freien Wählern ist es, dass dadurch die Hightech-Industrie gestärkt werde – mit Perspektiven auf Folgeaufträge.
Garmisch-Partenkirchen wird zum Leuchtturm der Forschung
Die Baupläne stehen, eine Standortstudie läuft. Spätestens im Frühjahr 2026 könnte der Bau beginnen. Das sogenannte „First Light“ – der erste Messblick ins All – ist laut Kadler noch im selben Jahr realistisch. Bis dahin ist noch viel zu tun, doch die Begeisterung bei den Wissenschaftlern ist spürbar. Mit dem WMT wird Garmisch-Partenkirchen endgültig zur Hochburg der Weltraumwissenschaft. Gemeinsam mit dem KIT-Campus Alpin, der TU München und der Umweltforschungsstation entsteht eine neue Forschungsregion – mit internationaler Strahlkraft. „Wir holen die Weltspitze nach Bayern – auf unseren höchsten Gipfel“, so Projektleiter Kadler. Und die Wissenschaft freut sich: Ein solches Teleskop mit Alpenblick und All-Zugang gibt es kein zweites Mal auf der Welt.